Hütet die Herde Gottes – Das geheime Ältestenbuch der Zeugen Jehovas im Faktencheck
Das Buch „Hütet die Herde Gottes“ (Ausgabe April 2021) ist ein internes Handbuch der Zeugen Jehovas, das ausschließlich für Älteste bestimmt ist. Es dient als operatives Regelwerk zur Leitung und Kontrolle der Versammlung und enthält detaillierte Anweisungen zur Verwaltung, Disziplinierung und Seelsorge innerhalb der Organisation.
Dieses Buch ist kein Hirtenstab – es ist ein Regelkodex für ein internes Gerichtssystem, das Macht delegiert, aber keine Verantwortung nach außen übernimmt. Es schützt nicht die Herde – sondern die Struktur, die vorgibt, sie zu führen. Wer sich fragt, ob diese Organisation wirklich christlich handelt, sollte dieses Buch als Antwort nehmen – und nicht als Anleitung zum Weitermachen.
1. Kindesmissbrauch – interne Behandlung statt Meldung
Kapitel 14, Abs. 6–8
„Älteste dürfen die Äußerungen einer beschuldigten Person bei einem Rechtskomitee nicht an Strafverfolgungsbehörden weitergeben, es sei denn, sie sind gesetzlich dazu verpflichtet.“ (S. 143)
Kritik:
Dies schafft ein Klima des Schweigens. In Ländern ohne Meldepflicht wird Kindesmissbrauch also potenziell nicht angezeigt – eine klare Gefährdung von Kindern. Zudem wird das Beichtgeheimnis hier über den Opferschutz gestellt.
2. Ausschluss – auch Kontaktverbot mit Familienmitgliedern
Kapitel 16, Abs. 17
„Eltern, Geschwister oder erwachsene Kinder eines Ausgeschlossenen […] müssen sich bewusst sein, dass enger Umgang mit einer solchen Person den biblischen Rat missachten kann.“ (S. 157)
Kritik:
Dies ist eine ethisch verwerfliche Praxis sozialer Isolation, die tief in das familiäre Privatleben eingreift. Besonders bei minderjährigen oder abhängigen Angehörigen steht diese Regelung im Spannungsfeld zu Kindeswohl und Grundrechten.
3. Geheimhaltung – Zerstörung des Buches bei Entlassung
Kapitel 1, Abs. 6
„Wenn ein Ältester abberufen wird, muss er das Buch vernichten oder der Versammlung zurückgeben.“ (S. 10)
Kritik:
Diese Praxis verhindert gezielt Transparenz und juristische Nachprüfbarkeit der angewendeten Regeln. In rechtlichen Auseinandersetzungen fehlen dadurch Beweise für mögliche Übergriffe oder Fehlentscheidungen.
4. Pornografiekonsum – Grund für Ausschluss
Kapitel 13, Abs. 39
„Wenn ein getaufter Christ regelmäßig Pornografie konsumiert und sich nicht ändert, kann dies ein Grund für einen Gemeinschaftsentzug sein.“ (S. 126)
Kritik:
Die Definition ist vage, der Begriff „regelmäßig“ bleibt unbestimmt. Es drohen Sanktionen auf Basis subjektiver Einschätzungen – ohne professionelle Beratung oder Differenzierung zwischen Suchterkrankung und moralischem Fehlverhalten.
5. Leitende Körperschaft als höchste Autorität
Kapitel 1, Abs. 2
„Die leitende Körperschaft wacht unter der Leitung Christi über Gottes Volk. Sie sorgt dafür, dass Anweisungen einheitlich umgesetzt werden.“ (S. 9)
Kritik:
Hier wird suggeriert, dass Gehorsam gegenüber der Organisation gleichbedeutend mit Gehorsam gegenüber Christus sei – eine theokratische Verschmelzung, die jede kritische Hinterfragung als Abfall brandmarkt.
6. Die leitende Körperschaft als Mittler zwischen Gott und Mensch
Kapitel 1, Abs. 2–3
„Jehovas Organisation ist theokratisch. Entscheidungen trifft die leitende Körperschaft […] in Christus’ Namen.“ (S. 9–10)
Analyse:
Hier wird die Führungsriege funktional zwischen Christus und den Gläubigen gestellt – faktisch als geistlicher Vermittler. Eine solche theokratische Delegation ist mit der neutestamentlichen Lehre vom unmittelbaren Zugang des Gläubigen zu Christus (z. B. Hebräer 4,16) schwer vereinbar.
7. Absoluter Gehorsam gegenüber Anweisungen
Kapitel 1, Abs. 3
„Deshalb sollten Älteste loyal hinter Entscheidungen der leitenden Körperschaft stehen, auch wenn sie sie persönlich (noch) nicht ganz verstehen.“ (S. 10)
Analyse:
Dies ist eine klassische Gehorsamspflicht ohne Gewissensprüfung. Sie fordert blinden Vollzug und delegiert Verantwortung nach oben – ein typisches Strukturmerkmal geschlossener autoritärer Systeme.
8. Einheitlicher Vollzug als Ausdruck von Loyalität
Kapitel 1, Abs. 3
„Nur durch Einheit kann die Versammlung unter dem Schutz Jehovas stehen. Uneinheitlichkeit schwächt den Glauben.“ (S. 10)
Analyse:
Hier wird die Einheit zur heiligen Pflicht erhoben. Abweichung wird nicht als normale Meinungsvielfalt betrachtet, sondern als Bedrohung für die göttliche Ordnung.
9. Meldung von Kindesmissbrauch nur mit Rücksprache
Kapitel 14, Abs. 7–8
„Wenn Älteste der Meinung sind, dass eine gesetzliche Verpflichtung zur Meldung besteht oder wenn sie unsicher sind, sollen sie sich zunächst an das Zweigbüro wenden.“ (S. 144)
„Sollte ein Missbrauchsopfer oder ein Dritter Anzeige erstatten wollen, dürfen die Ältesten nicht davon abraten.“ (S. 145)
Bewertung:
Die erste Pflicht gilt hier nicht dem Opfer, sondern dem Zweigbüro. Selbst in Fällen mit begründetem Verdacht ist keine automatische Meldung an Polizei oder Jugendamt vorgesehen.
10. Keine Untersuchung bei fehlenden Zeugen
Kapitel 14, Abs. 15
„Ein Rechtskomitee wird nur dann gebildet, wenn der Beschuldigte die Tat zugibt oder zwei glaubwürdige Zeugen vorhanden sind.“ (S. 146)
Bewertung:
Das ist insbesondere bei sexuellen Übergriffen auf Kinder realitätsfern und schützt de facto Täter vor interner Disziplinierung.
11. Rechtskomitees ermitteln nicht – urteilen aber
Kapitel 14, Abs. 11
„Das Ziel eines Rechtskomitees besteht nicht darin, Ermittlungen wie die Polizei durchzuführen, sondern festzustellen, ob eine schwere Sünde vorliegt.“ (S. 145)
Bewertung:
Es wird ausdrücklich klargestellt, dass keine professionelle Ermittlungsarbeit geleistet wird – dennoch wird intern über Schuld und Konsequenzen entschieden.
12. Missbrauchsvorwürfe werden intern versiegelt
Kapitel 14, Abs. 26
„Alle Unterlagen über Missbrauchsvorwürfe sind in einem versiegelten Umschlag aufzubewahren und nur vom Kreisaufseher und dem Dienstkomitee einsehbar.“ (S. 149)
Bewertung:
Die Dokumentation ist nicht zugänglich für Opfer oder Ermittlungsbehörden, außer auf richterliche Anordnung.
13. Wiederaufnahme trotz Missbrauchsvergangenheit
Kapitel 14, Abs. 24
„Ein aus der Gemeinschaft ausgeschlossener Täter kann wieder aufgenommen werden, wenn Reue sichtbar wird. […] Er darf jedoch keine Ämter in der Versammlung übernehmen.“ (S. 148)
Bewertung:
In der Praxis ist die Reueeinschätzung subjektiv. Eine forensisch-psychologische Bewertung erfolgt nicht.
Fazit
In diesem Handbuch zeigt sich kein lebendiger Glaube – sondern ein delegierter Gehorsamsapparat. Die leitende Körperschaft wird nicht als Werkzeug verstanden, sondern als geistiger Ersatz für Christus. Wer als Ältester denkt, zweifelt – wer zweifelt, widerspricht – wer widerspricht, wird entfernt.
Die Konsequenz: Nicht Christus ist das Haupt der Versammlung – sondern die Organisation, die in seinem Namen spricht. Das ist kein biblisches Prinzip – das ist eine theokratische Fiktion.
Rechtlicher Hinweis gemäß § 51 UrhG und Art. 5 GG
Die in diesem Beitrag zitierten Textstellen stammen aus dem internen Handbuch „Hütet die Herde Gottes“ (Ausgabe April 2021), das über öffentlich zugängliche Quellen verbreitet wurde. Die Zitate dienen der wissenschaftlichen, theologischen und publizistischen Analyse im Sinne des § 51 UrhG. Sie sind durch eigene Ausführungen gerechtfertigt, kenntlich gemacht und auf das zur Erläuterung erforderliche Maß beschränkt.
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Die Authentizität des hier analysierten Dokuments wurde nach bestem Wissen geprüft und durch Übereinstimmungen mit anderen Richtliniendokumenten der Organisation plausibilisiert.
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