Die Bibelforscher (Zeugen Jehovas) und der Erste- und Zweite- Weltkrieg

Zusammenfassung (1 Minute Lesezeit):

Der Beitrag beleuchtet das Spannungsverhältnis zwischen der heutigen Selbstdarstellung der Zeugen Jehovas als kriegsferne Glaubensgemeinschaft und ihrer tatsächlichen historischen Rolle. Während des Ersten Weltkriegs beteiligten sich viele Bibelforscher aktiv am Militärdienst. Der Wachtturm dokumentierte dies offen – inklusive Feldpost und Unterstützung für einberufene Mitglieder.

Auch im Nationalsozialismus zeigte sich die Organisation keineswegs durchgehend widerständig. Frühere Dokumente belegen vielmehr den Versuch, durch politische Distanzierung, pro-deutsche Beteuerungen und antisemitische Rhetorik Repressionen zu vermeiden. Erst einzelne Mitglieder, nicht die Leitung, leisteten mutigen Widerstand.

Die heutige Darstellung als konsequente Kriegsgegner und NS-Opfergemeinschaft ist historisch verkürzt. Der Beitrag plädiert für eine ehrliche und quellenbasierte Aufarbeitung der eigenen Geschichte – jenseits von idealisierenden Rückblicken.

Zeugen Jehovas und der Erste Weltkrieg – ein verdrängtes Kapitel

Immer wieder hört man von Zeugen Jehovas die Behauptung, sie seien die einzige Religion, deren Mitglieder sich niemals an Kriegen beteiligt hätten. Doch dieser Mythos hält einem historischen Faktencheck nicht stand.

Tatsächlich beteiligten sich während des Ersten Weltkriegs zahlreiche Bibelforscher – so hießen Jehovas Zeugen damals – aktiv am Militärdienst. Der Wachtturm selbst enthielt in dieser Zeit sogar eine Feldpost-Rubrik unter dem Titel „Von der Brüderschaft im Felde“, in der Briefe von Soldaten und ihren Angehörigen abgedruckt wurden.

Ein Beispiel aus dem Wachtturm vom Februar 1915 zeigt dies eindrucksvoll:

„Mein Schwiegersohn, Bruder […], musste auch in den Krieg, und nach zwei Wochen starb er. […] Er war in keiner Schlacht; wir glauben, dass unser lieber Herr ihn jenseits des Vorhangs genommen und ihn so vor der großen Trübsal bewahrt hat.“

Solche Schilderungen zeigen: Die damaligen Bibelforscher hatten keineswegs eine einheitlich pazifistische Haltung. Vielmehr wurden die Kriegsteilnahmen als persönliches Schicksal beschrieben – nicht als Verletzung eines religiösen Gebots.

Ein weiterer Beleg: Die Wachtturm-Redaktion bat um die Adressen aller zum Militärdienst einberufenen Brüder, um ihnen weiterhin Zeitschriften und Briefe zukommen zu lassen. Das passt kaum zu einer angeblich kompromisslosen Haltung gegen jegliche Kriegsbeteiligung.

Besonders bemerkenswert ist auch der Fall von Brigadegeneral William Preble Hall, einem engen Freund von Charles T. Russell und Mitglied des „Wachtturm-Komitees“ – einer Art Vorläufer der späteren Leitenden Körperschaft. Hall war ein hochrangiger Offizier der US-Armee, überzeugter Bibelforscher – und sicher kein Pazifist.

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/William_Preble_Hall

Erst ab 1917, kurz vor Kriegsende, wandelte sich die offizielle Haltung der Bewegung langsam in Richtung Wehrdienstverweigerung. Und auch diese pazifistische Linie war keine originäre Entwicklung, sondern wurde weitgehend aus dem adventistischen Milieu übernommen, aus dem viele frühe Bibelforscher stammten.

Zum Vergleich: Die Adventisten haben sich in der Frage des Militärdienstes früh und konsequent positioniert. Ihr Umgang mit diesem Thema ist sogar Gegenstand eines Kinofilms: „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“.


Fazit:
Die Behauptung, Jehovas Zeugen hätten sich nie an Kriegen beteiligt, ist historisch unhaltbar. In Wahrheit mussten viele Gläubige des Ersten Weltkriegs – teils aus Pflicht, teils aus Überzeugung – Uniform tragen. Die heutige pazifistische Haltung der WTG ist keine durchgängige Linie, sondern eine nachträglich idealisierte Erzählung.

Wer sich ernsthaft mit Geschichte beschäftigt, sollte zwischen Selbstbild und Realität unterscheiden können. Auch religiöse Gruppen schreiben ihre Vergangenheit gern um – besonders dann, wenn sie sich als moralisch überlegen darstellen wollen. Doch Wahrheit beginnt mit Ehrlichkeit – auch in der Rückschau.

Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus – Widerstand oder Anpassung?

Ein Erwachet! aus dem Jahr 1995 lässt den Eindruck entstehen, dass die Verfolgung der Zeugen Jehovas im Dritten Reich allein auf deren konsequente Ablehnung nationalsozialistischer Ideologie zurückzuführen sei. Dort heißt es:

„Die Nazis hatten nicht die Absicht, eine Verweigerung der Unterstützung ihrer Ideologie zu dulden.“
(Erwachet! 22. August 1995, S. 7)

Aber war das wirklich so? Prüfen wir die Fakten – insbesondere die Haltung der Organisation selbst, nicht einzelner Mitglieder.

Im Jahr 1933 wurde das Eigentum der Wachtturm-Gesellschaft in Magdeburg durch das NS-Regime beschlagnahmt. Daraufhin wandte sich die Watch Tower Bible and Tract Society unter Leitung von J. F. Rutherford in einem mehrseitigen Brief direkt an den Reichskanzler Adolf Hitler.

Quelle: https://www.stadtarchiv.goettingen.de/widerstand/texte/zeugen-jehovas-goettingen.html


Dieser Abschnitt enthält den kompletten redaktionellen Text inklusive Zitate, Abschnitte aus dem Brief von Hans-Eduard Winter und fußnotiertem Verweis auf externe Archive und öffentlich zugängliche Onlinequellen. Die Inhalte bleiben wie im Originaltext erhalten und wurden lediglich um die rechtliche Einbettung und einleitende Hinweise ergänzt.

Darin heißt es u. a.:

„Die Zentrale der Wachtturm-Gesellschaft in Brooklyn ist seit vielen Jahren vorbildlich pro-deutsch. […] Diese beiden Zeitschriften, The Watchtower und Bible Student, waren die einzigen Zeitschriften in Amerika, die sich weigerten, antideutsche Propaganda zu betreiben, und aus diesem Grund wurden sie während des Krieges in Amerika verboten und unterdrückt.“

Ferner distanziert sich der Brief deutlich von Juden und Katholiken, die für die „Verfolgung unserer Gesellschaft“ verantwortlich gemacht werden:

„Die Personen, die diese Propaganda vorantreiben (jüdische Geschäftsleute und Katholiken), sind auch die härtesten Verfolger unserer Arbeit.“

Und weiter:

„Die Bibelforscher Deutschlands kämpfen für dieselben hohen ethischen Ziele und Ideale, die auch die Reichsregierung verkündet.“

In bemerkenswerter Formulierung wird sogar behauptet, dass zwischen den religiösen Zielen der Zeugen Jehovas und den ideologischen Grundsätzen der Nationalsozialisten keinerlei Widerspruch bestehe:

„Es gibt keine Widersprüche im Verhältnis der Bibelforscher Deutschlands zur Staatsregierung des Deutschen Reiches. […] Diese Ziele stehen in voller Übereinstimmung mit den identischen Zielen der nationalen Regierung des Deutschen Reiches.“

Eine solche Aussage könnte – mit wenigen redaktionellen Änderungen – nahezu wortgleich aus Punkt 24 des NSDAP-Parteiprogramms stammen, in dem es heißt:

„Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das sittliche und moralische Empfinden der germanischen Rasse verstoßen.“
(Quelle: Anne-Frank-Stiftung)

Quelle: https://www.annefrank.org/de/timeline/7/das-parteiprogramm-der-nsdap

Von einer „Verweigerung der Unterstützung“ nationalsozialistischer Ideologie kann also zumindest in Bezug auf die Leitung der Organisation nicht die Rede sein.

Auch der Bezirkskongress in Berlin-Wilmersdorf 1933, auf dem das Lied Nr. 64 aus dem Liederbuch Gesänge zum Preise Jehovas gesungen wurde – zur Melodie von Joseph Haydns Hymne, die als Grundlage der deutschen Nationalhymne diente – wirkt in diesem Kontext zumindest symbolisch anpassungsbereit.

Auf diesem Kongress wurde zudem die sogenannte „Erklärung“ Wilmersdorf Erklärung von 1933 verabschiedet und verbreitet – ein vierseitiges Schriftstück, das in Inhalt und Tonfall über weite Strecken als anbiedernd zu charakterisieren ist.

https://archiv-vegelahn.de/index.php/niedersachsen/15-jehovas-zeugen/2406-1933-erklaerung)

Einige Passagen daraus:

„Anstatt gegen die von der deutschen Regierung vertretenen Grundsätze zu sein, treten wir entschieden für diese Grundsätze ein […].“

Und in Bezug auf den immer wieder thematisierten Vorwurf, man würde von Juden finanziert, heißt es:

„Bis zu diesem Zeitpunkt haben Juden noch nie das geringste bisschen Geld für unsere Arbeit gespendet. […] Die treuen Anhänger Christi Jesu glauben an Ihn als den Erlöser der Welt, wohingegen die Juden Jesus Christus gänzlich ablehnen.“

Besonders drastisch:

„Das größte und unterdrückendste Reich auf Erden ist das Anglo-Amerikanische Reich. […] Es waren die kommerziellen Juden des britisch-amerikanischen Empire, die das Großkapital als Mittel zur Ausbeutung und Unterdrückung der Völker vieler Nationen aufgebaut und betrieben haben.“

Hier werden antisemitische Narrative nicht nur aufgegriffen, sondern aktiv befördert – in voller Kompatibilität zur nationalsozialistischen Rhetorik.

Natürlich ist es unbestritten, dass sich zahlreiche einzelne Zeugen Jehovas mutig und standhaft gegen das NS-Regime gestellt haben – viele von ihnen unter Einsatz ihres Lebens. Etwa 6.000 Bibelforscher wurden inhaftiert, rund 3.000 davon in Konzentrations- oder Vernichtungslagern. Etwa die Hälfte von ihnen überlebte die Haft nicht. Von den ca. 30.000 Zeugen Jehovas in Deutschland blieben etwa 20.000 trotz Verbot und Verfolgung ihrem Glauben treu.

Aber: Dieser Mut ist nicht der Organisation als solcher zu verdanken, sondern dem Gewissen einzelner Mitglieder.

Die Wachtturm-Gesellschaft hingegen versuchte zunächst, durch ideologische Nähe, politische Distanzierung und aktive Anbiederung Repressionen zu vermeiden – auch durch antisemitische Rhetorik und demonstrative Loyalitätsbekundungen gegenüber der NS-Regierung.

Daher ist es irreführend, wenn die Organisation heute den Eindruck vermittelt, sie habe sich kollektiv, geschlossen und von Anfang an im Widerstand gegen das NS-Regime befunden. Die Realität ist differenzierter – und verdient eine ehrliche, kritische Auseinandersetzung.

Einordnung eines offenen Briefes an die Wachtturm-Gesellschaft (1995)

Im Zusammenhang mit der Selbstdarstellung der Zeugen Jehovas als konsequente Gegner des Nationalsozialismus zirkuliert ein offener Brief, der unter dem Namen Hans-Eduard Winter datiert auf den 18. September 1995 verfasst wurde. Der Verfasser bezeichnet sich als Holocaust-Überlebender und äußert sich kritisch zur Darstellung in der Zeitschrift Erwachet! vom 22. August 1995. Die dortigen Aussagen, wonach Zeugen Jehovas als erste mahnend gegen den Nationalsozialismus Stellung bezogen hätten, werden im Schreiben mit zahlreichen historischen Verweisen auf andere Opfergruppen sowie christliche und politische Widerstandskreise hinterfragt. Auch die sogenannte Wilmersdorfer Erklärung von 1933 wird darin als anpasserisch und teils antisemitisch eingeordnet.

Die Authentizität des Briefes kann nach gegenwärtigem Stand nicht zweifelsfrei belegt werden. Er ist bislang nicht in öffentlichen Archiven oder durch Primärquellen eindeutig verifiziert. Dennoch stimmen viele darin enthaltene historische Verweise und Zitate mit gesicherten Quellen überein, was ihn – unter Vorbehalt – als zeitgeschichtliches Zeugnis mit diskursiver Relevanz einordnen lässt. Eine Rezeption des Schreibens sollte daher stets mit dem Vermerk erfolgen, dass es sich um ein nicht offiziell bestätigtes Dokument handelt, dessen Inhalt jedoch in weiten Teilen mit den historischen Fakten zur Rolle der Zeugen Jehovas im „Dritten Reich“ korrespondiert.

Hans-Eduard Winter

Erstellt: 18. September 1995

Sehr geehrte Wachtturmgesellschaft,

durch einen Ihrer Mitarbeiter bekam ich die Zeitschrift „Erwachet“ vom 22. August 1995 überreicht. Gestatten Sie mir als Überlebenden des „HOLOCAUST“ hierzu einige Anmerkungen.

Die betreffenden Artikel im o.a. „Erwachet“ entsprechen nicht so ganz der Wahrheit. Niemand, am wenigsten ich, will den Leidensweg der damaligen Bibelforscher bestreiten, aber es entspricht nicht der Wahrheit, dass diese als erste mahnend ihre Stimme gegen den Nationalsozialismus erhoben hätten.

„Wer Hitler wählt, der wählt den Krieg“ war bereits lang vor der Machtergreifung der Slogan der KPD. Bereits um 1925 waren es Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftler, die vor dem Aufkeimen des Faschismus warnten. Aber auch auf christlicher Seite, und ich bitte Sie dies endlich einmal zu akzeptieren, gab es laute und mahnende Stimmen und entschiedenen Widerstand. Christliche Gemeinschaften, die dem Verbot unterworfen und verfolgt wurden. So unter anderem, dass „Apostelamt Juda“, die Evangelisch-Johannische Kirche“, die Gemeinschaft „Hirt und Herde“, u.a.m. Ich traf diese Leute, wie auch Bibelforscher verschiedener Gruppen, in dem Lager wo ich und meine Mutter „evakuiert“ waren.

Ist Ihnen klar, dass von katholischer Seite aus über 10.000 Ordensleute, ohne die zahlreichen Priester mitzurechnen, in den Lagern, Gefängnissen und Zuchthäusern unerträglichen Leiden ausgesetzt waren? Warum leugnen sie dies? Warum sprechen Sie von „Einzelnen“? Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an einen katholische Prieser, der über 20 Stunden „am Kreuz“ hing, weil er sich weigerte, Gott zu verhöhnen, und dann heimlich von Kommunisten „abgehängt“ und unter der Seuchenbaracke versteckt wurde. Gerne will ich auch die Nonnen des Klosters „Maria Hilfe“ in Brühl/Baden erwähnen, die unter Gefahr für ihr eigenes Leben, mich und meiner Mutter im Heizungskeller des Klosters verborgen hielten, bis zu dem Zeitpunkt unserer Befreiung. Spätestens hier muss ich erwähnen, dass ich weder katholisch, oder einer der oben angeführten Gruppen zugehörig bin.

Auch der letzte Absatz auf Seite 3 des erwähnten „Erwachet“ bedarf einer besonderen Beleuchtung. Es waren nicht Zeugen Jehovas, die Berichte über die Existenz der Lager und als „Erste“ die Gräuel im In- und Ausland bekanntmachten, sondern die oben erwähnten politischen Gruppen. Hans Langhof hat bereits 1933 einen heute noch sehr beachteten Bericht über das Lager Börgermoor und andere in Deutschland selbst und im Ausland verbreitet. Ebenso der ehemalige Reichstagsabgeordnete Hans Beimer aus München. Sein im Juni/Juli 1933 erschienenes Buch „Im Mörderlager Dachau“ wurde über Moskau, Prag, Zürich, Paris und Amsterdam „massenweise“ illegal in Deutschland verbreitet. Die Nazis selbst haben in Zeitungen, wie dem „Völkischen Beobachter“, dem „Stürmer“ usw. die Existenz dieser Lager bekanntgegeben. Kein Deutscher kann sagen: „Ich habe es nicht gewusst.“ Dies betrifft sogar die sogenannte „Endlösung“.

Auf Seite 7 erwähnen Sie dann, dass „7.000“ Delegierte in Wilmersdorf am 25. Juni 1933 auf einem Kongress eine Resolution gefasst haben und veröffentlichen hieraus einen Satz. Ich habe in meinem Besitz den vollen Wortlaut dieser „Resolution“ und der beigefügten „Erklärung“. Erstens widersprechen Sie sich selbst, wenn Sie von „7.000“ sprechen, denn diese Resolution bezeugt die Zahl von „5000“ und folgenden Satz: „Weiter wurde auf dieser Konferenz der fünftausend Delegierten – wie in der Erklärung ausgedrückt – festgestellt, dass die Bibelforscher für dieselben hohen ethischen Ziele und Ideale kämpfen, welche die nationale Regierung des Deutschen Reiches bezüglich des Verhältnisses des Menschen zu Gott proklamieren…“ Im Nächsten Absatz wird dann gesagt, dass die Bibelforscherbewegung bzw. Ihre Bestrebungen in „völliger Übereinstimmung mit den gleichlautenden Zielen der nationalen Regierung“ sei. Hierbei beruft man sich auf § 24 des Programms der NSDAP. Den an Volksverhetzung grenzenden Wortlaut der „Erklärung“ will ich Ihnen zuliebe hier nicht erwähnen.

Mit all dem bisher Gesagten will ich, wie bereits erwähnt, die Leiden der Bibelforscher in jenen Tagen nicht schmälern. Die Gründe, die jedoch zur Verfolgung führten, müssen etwas anders gesehen werden, als Sie dies heute so darstellen. Unter anderem lag dies auch in der mehrfach geänderten „Obrigkeitsfrage“ begründet.

Spätestens hier will bzw. Muss ich noch um der Wahrheit willen einer Lanze brechen für jene „Bibelforscher“, die nicht mit „Brooklyn“ verbunden waren, und derer gab es eine ganze Menge. Es gab auch „Tagesanbruchleute“, „Freie Bibelforscher“, „Bibel-Studenten“, „Freunde der Wahrheit“ usw. Ihr Opfergang und ihre Solidarität sind hier besonders hervorzuheben, nicht zu vergessen die „Menschenfreunde“. Ich gehöre ebenfalls nicht zu einer der eben erwähnten Gruppen.

Sind Sie mir nicht böse, aber auf einen Artikel (Seite 11) will ich noch eingehen. Das hier Berichtete will ich keineswegs bestreiten. ABER, es waren „Sowjetsoldaten“ und „Kommunisten“, die mit uns Kindern das letzte Brot, den letzten Tropfen Suppe teilten. Weihnachten 1944 sammelten sie Brot usw., ums uns Kindern eine Freude zu machen. Ich weiß, Sie lehnen Weihnachten ab. Das bleibt Ihnen auch unbenommen. Aber was war mit den Zeugen Jehovas? Keinen Krumen Brot für ein „heidnisches Fest“. Für uns Kinder war dies das zweite Zeugnis der „Nächstenliebe“ der Zeugen im Lager. Sie fragen nach dem ersten Zeugnis?

„Führers Geburtstag 1944″. Antreten zum Appell. Raus, raus, schneller, schneller!“ Lobesreden auf den Führer. Dann die „unverdiente Gnade“ des Führers. Anlässlich seines Ehrentages eine Sonderration an die Insassen. BROT, Margarine oder Fett, je 20 Gramm Blut- oder Leberwurst. Und die Zeugen? Diese senden eine Delegation an die Kommandantur: „Wir lehnen den Empfang und das Essen von Blutwurst ab“ (was ich ebenfalls als Gewissensentscheidung voll akzeptiere). Aber anstatt stillschweigend diese Blutwurst zu nehmen, sie den Alten, Kranken, Kindern oder den besonders hungernden Sintis oder Sowjetsoldaten zu geben, spricht diese Delegation von der totalen Verweigerung. Das Resultat? „Einige unter euch sind ja besonders schlau. Sie lehnen das Geschenk des Führers ab. Wenn ihr also keine Blutwurst wollt, dann braucht ihr auch kein Brot und kein Fett. Sprachs und „abtreten“. Die gesamte Ration für das gesamte Lager erhielten die Schweine, welche die SS hielt, zum Fraß vorgeworfen. Sie mögen jetzt eventuell von „aufrichtiger Haltung“ usw. sprechen, aber was in uns Kindern vorging, habe ich und meine damaligen Leidensgenossen bis heute nicht vergessen. Ob Sie das begreifen? Begreifen kann ich ebenfalls nicht, wie Sie von Standhaftigkeit der Zeugen in den Lagern sprechen. Standhaft waren vielfach einfache Zeugen, deren „Führer“ jedoch nicht. In den jetzt zugänglichen Unterlagen der Gestapo werden Sie über die Herren Franke* und Frost** finden, die reihenweise und ohne besonderen Anlass ihre „Brüder“ ans Messer lieferten. Auch das SS-Gut Harzwalde sollte dann nicht unerwähnt bleiben.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Eduard Winter“

Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag dient der historischen und theologischen Aufarbeitung der Rolle der Zeugen Jehovas in der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie während der NS-Diktatur. Alle Zitate aus historischen Quellen, insbesondere aus Wachtturm-Publikationen oder öffentlich zugänglichen Archiven, werden im Rahmen des § 51 UrhG (Zitatrecht) zu Zwecken der kritischen Auseinandersetzung, des Belegs und der wissenschaftlichen Einordnung verwendet. Die enthaltenen Bewertungen stellen eine zulässige Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG dar, beruhen auf nachprüfbaren Tatsachen und erfolgen mit journalistischer Sorgfalt. Der Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern versteht sich als Beitrag zur offenen, faktenbasierten Diskussion religiös-historischer Narrative.

Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Nennung historischer Akteure, Organisationen oder angeblicher Verfasser (z. B. „Hans-Eduard Winter“) keine abschließende Bestätigung ihrer Identität oder Authentizität einschließt. Der Text berücksichtigt den Quellenstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Leser:innen werden eingeladen, sich auf Basis der genannten Belege selbst ein differenziertes Urteil zu bilden.

Die Verfasser distanzieren sich ausdrücklich von jeglicher Form von Antisemitismus, Rassismus, Relativierung des Nationalsozialismus oder geschichtsrevisionistischer Rhetorik. Die Kritik richtet sich ausschließlich gegen die Selbstinszenierung der religiösen Organisation der Zeugen Jehovas in ihren Publikationen und betrifft nicht die individuelle Überzeugung oder das Gewissen einzelner Gläubiger.





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