„Bibelstudium“ und „Bibelkurse“ der Zeugen Jehovas, Kein Studium im eigentlichen Sinn!

Oder: Warum man das, was die Zeugen Jehovas als Studium bezeichnen, besser als Indoktrinationskurs verstehen sollte

1. Begriffsdefinition: Was ist ein Studium?

Der Begriff Studium bezeichnet klassisch eine systematische, eigenständige Auseinandersetzung mit einem Thema – unter Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven, Methoden und Quellen.
Ziel ist nicht bloß das Auswendiglernen von Inhalten, sondern das Verständnis von Zusammenhängen, die Fähigkeit zur kritischen Reflexion und die Entwicklung einer eigenen Urteilskraft.
In einem echten Bibelstudium würde man daher erwarten, die Texte in ihrem historischen, kulturellen und sprachlichen Kontext zu betrachten, sich mit verschiedenen Auslegungen auseinanderzusetzen – und Fragen stellen zu dürfen.


2. Was Zeugen Jehovas unter „Bibelstudium“ verstehen

Innerhalb der Organisation bezeichnet „Bibelstudium“ alle Formen der Auseinandersetzung mit dem eigenen Lehrmaterial – sei es das persönliche Lesen eines Wachtturm-Artikels, das Vorbereiten auf die Zusammenkunft, das sogenannte Familienstudium oder die Teilnahme am „Studienwachtturm“.
Zeugen Jehovas sehen sich selbst als Menschen, die „die Bibel studieren“, wobei in Wirklichkeit überwiegend interne Publikationen der Wachtturm-Gesellschaft durchgenommen werden – samt vorgegebener Fragen und Antworten.

Ziel ist nicht das eigenständige Erforschen biblischer Texte, sondern die Verinnerlichung der offiziellen Lehrmeinung – durch regelmäßige Wiederholung, thematische Zuspitzung und Autoritätsbindung.


3. Was fehlt

  • Keine Textkritik, keine Kontextbetrachtung
  • Keine Mehrperspektivität – nur eine offizielle Deutung ist zulässig
  • Keine Selbstständigkeit – das „Studium“ zielt auf Konformität, nicht auf Erkenntnis
  • Keine ergebnisoffenen Fragen – nur bewährte Antworten

Das sogenannte „Bibelstudium“ innerhalb der Organisation ist damit faktisch eine religiöse Schulung mit dem Ziel maximaler Loyalität – nicht ein Studium im bildungsorientierten oder theologischen Sinne.


4. Exkurs: Der „Bibelkurs“ für Interessierte

Zusätzlich bieten Zeugen Jehovas sogenannte „Bibelkurse“ für Außenstehende an – eine wöchentliche, meist persönliche Unterweisung auf Basis eines der offiziellen Lehrbücher der Organisation, zum Beispiel:

  • „Was lehrt die Bibel wirklich?“
  • „Was kann die Bibel uns lehren?“
  • „Glücklich – für immer!“

Tatsächlich handelt es sich um ein dogmatisches Einstiegstraining, bei dem die Bibel nur selektiv verwendet wird – stets zur Bestätigung der Organisationslehre.
Die Fragen und Antworten sind so aufgebaut, dass kritisches Denken gar nicht erst entsteht. Wer den Kurs „erfolgreich abschließt“, tut dies in der Regel mit der Taufe – als Zeichen der vollständigen Unterwerfung unter die Wachtturm-Gesellschaft.


Die verwendeten Bücher: keine Bibel, sondern Dogmatik

Statt die Bibel systematisch durchzuarbeiten, verwendet man Bücher wie:

  • „Was lehrt die Bibel wirklich?“ (2005, revidiert 2014)
  • „Glücklich – für immer!“ (seit ca. 2019/2020 vermehrt im Einsatz)
  • Frühere Versionen: „Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt“ (1968), „Erkenntnis, die zu ewigem Leben führt“ (1995)

Diese Bücher sind nach einem simplen Frage-Antwort-Schema aufgebaut. Die zitierten Bibelverse erscheinen isoliert, aus dem Zusammenhang gerissen – stets zur Untermauerung der Organisationslehre.
Wer im „Studium“ kritische Fragen stellt, wird oft vertröstet – oder als „nicht demütig genug“ eingeschätzt.


5. Psychologische Mechanismen: Einübung statt Erkenntnis

Das Vorgehen im sogenannten Bibelstudium ist methodisch vergleichbar mit klassischen Indoktrinationsstrategien:

  • Repetition statt Reflexion: Inhalte werden ständig wiederholt – in Versammlungen, im persönlichen Dienst, auf Kongressen. Dadurch verankern sie sich tief im Gedächtnis – unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt.
  • Vereinfachung komplexer Fragen: Theologisch anspruchsvolle Themen werden auf vorgekaute Dogmen reduziert – mit dem Versprechen von „Klarheit“, das faktisch Denkfaulheit begünstigt.
  • Abschottung von Alternativen: Andere religiöse Meinungen gelten als „falsch“, „babylonisch“ oder „verwirrend“ – und werden nicht ernsthaft diskutiert, sondern verworfen.
  • Bindung durch Fortschrittslogik: Wer regelmäßig studiert, „macht Fortschritte“. Wer hinterfragt, „kommt geistig nicht mit“. Das erzeugt subtilen Druck und führt zur Selbstzensur.

6. Warum das kein Studium ist – sondern eine Glaubensschulung

Das „Bibelstudium“ ist letztlich ein System der Einübung: Ziel ist nicht Erkenntnis, sondern Loyalität.
Die Autorität liegt nicht im Text der Bibel selbst, sondern in der Organisation, die vorgibt, wie dieser zu verstehen ist.
Wer eigenständig zu anderen Schlüssen kommt, steht früher oder später im Verdacht, „sich vom Geist Jehovas zu entfernen“.

Damit zeigt sich: Der Begriff „Studium“ wird bei den Zeugen Jehovas nicht deskriptiv, sondern propagandistisch verwendet – als Imagepflege für ein autoritär kontrolliertes Lehrsystem.

Was Zeugen Jehovas als „Bibelstudium“ bezeichnen, ist in Wahrheit ein geschlossenes Glaubenssystem mit einer klaren Befehlskette – von der „leitenden Körperschaft“ bis hin zum privaten Wohnzimmer.
Es fehlt alles, was ein echtes Studium ausmacht: Offenheit, Vielschichtigkeit, kritische Methodik – und vor allem: die Freiheit, auch zu widersprechen.

Wer als Zeuge Jehovas sagt: „Ich studiere die Bibel“, meint in der Regel:
„Ich vertiefe mich in das, was die Organisation vorgibt.“
Nicht:
„Ich erforsche den biblischen Text kritisch und eigenständig.“

Rechtlicher Hinweis

Dieser Beitrag stellt eine durch Quellen belegte, sachlich fundierte Analyse der Lehr- und Kommunikationspraxis der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas dar. Die verwendeten Begriffe wie „Indoktrination“, „Glaubensschulung“ oder „Autoritätsbindung“ sind im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 GG) als zulässige Werturteile einzuordnen und dienen der kritischen Auseinandersetzung mit religiöser Sozialisation und Gruppenstruktur.

Zitate aus offiziellen Publikationen der Wachtturm-Gesellschaft erfolgen gemäß § 51 UrhG (Zitatrecht) ausschließlich zu Zwecken der Analyse, Kommentierung oder Aufklärung. Die Darstellung von Lehre, Praxis und Sprache wurde nach bestem Wissen korrekt und differenziert vorgenommen.
Sollten dennoch unbeabsichtigte Fehler enthalten sein, bitten wir um entsprechenden Hinweis – berechtigte Korrekturen werden umgehend berücksichtigt.