Übersetzung aus dem offiziellen englischen Protokoll der Royal Commission (Tag 155, Fallstudie 29

Royal Commission into Institutional Responses to Child Sexual Abuse

Öffentliche Anhörung – Fallstudie 29 (Tag 155)
Freitag, 14. August 2015, 10:00 Uhr, Sydney

Vorsitzender: Richter Peter McClellan AM
Kommissarin: Prof. Helen Milroy
Rechtsbeistand der Kommission: Mr. Angus Stewart SC
Zeuge: Geoffrey William Jackson
Rechtsanwalt für Herrn Jackson: Mr. A. Bannon SC


Im Folgenden veröffentlichen wir die vollständige, übersetzte Abschrift der öffentlichen Anhörung vor der australischen Royal Commission vom 14. August 2015 (Fallstudie 29, Tag 155). Der Zeuge Geoffrey W. Jackson, Mitglied der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas, wurde unter Eid befragt. Die Aussagen gelten als Meilenstein in der Aufarbeitung struktureller Probleme im Umgang mit sexuellem Missbrauch innerhalb der Organisation.


Einleitende Worte

VORSITZENDER (McClellan):
Zunächst müssen wir klären, Herr Stewart – ist Kommissarin Milroy zugeschaltet? Kommissarin Milroy, können Sie uns hören und sehen?

KOMMISSARIN MILROY:
Ich kann Sie hören, aber im Moment noch nicht sehen. Das wird sich aber sicher gleich einstellen.

VORSITZENDER:
Liegt das an Ihrem Ende oder an unserem? – Wir können Sie jetzt sehen. Können Sie uns auch sehen?

KOMMISSARIN MILROY:
Ja, ich kann Sie sehen.

MR. STEWART:
Euer Ehren, wie Ihnen bekannt ist, wird heute Herr Geoffrey Jackson als Zeuge vernommen. Es gibt eine Vertretung auf seiner Seite.

MR. A. BANNON SC:
Ich möchte mein Erscheinen im Namen von Herrn Jackson anzeigen. Mein Name ist Bannon, Euer Ehren.

VORSITZENDER:
Sie haben das Wort.

MR. BANNON:
Vielen Dank, Euer Ehren.

VORSITZENDER:
Herr Jackson, Sie müssen nun vereidigt werden. Haben Sie eine Bibel bei sich?

MR. JACKSON:
Ja, selbstverständlich.

<Geoffrey William Jackson wird vereidigt>
Zeit: 11:05 Uhr


Befragung durch Rechtsanwalt Stewart

FRAGE:
Herr Jackson, bitte nennen Sie Ihren vollständigen Namen und Ihre berufliche Adresse.

ANTWORT:
Mein Name ist Geoffrey William Jackson. Ich arbeite in der 25 Columbia Heights, aber die Postanschrift lautet 124 Columbia Heights, Brooklyn, New York.

FRAGE:
Stimmt es, dass Sie 1955 in Queensland, Australien, geboren wurden?

ANTWORT:
Das ist korrekt.

FRAGE:
Und Sie wurden 1968 in Queensland als Zeuge Jehovas getauft?

ANTWORT:
Ja, das stimmt.

FRAGE:
Sie verließen die Schule im Alter von 15 Jahren und begannen mit Pionierdienst in Tasmanien, richtig?

ANTWORT:
Richtig.

FRAGE:
Anschließend waren Sie in verschiedenen Funktionen tätig – zunächst als Übersetzer, dann als Mitglied eines Zweigkomitees – zuerst in Fidschi und danach in Samoa?

ANTWORT:
Kleine Korrektur, bitte: zuerst war ich in Samoa tätig, dann in Fidschi.

FRAGE:
Danke für die Richtigstellung. Ich verstehe, dass Sie 2003 in den Übersetzungsdienst in den US-Bundesstaat New York versetzt wurden?

ANTWORT:
Ja, das ist korrekt. In das Bildungszentrum der Zeugen Jehovas im nördlichen Teil des Staates, in Patterson.

FRAGE:
Im September 2005 wurden Sie dann als Mitglied der Leitenden Körperschaft ernannt?

ANTWORT:
Das ist richtig.

FRAGE:
Und Sie sind seither ununterbrochen in dieser Funktion tätig?

ANTWORT:
Ja, das bin ich.

FRAGE:
Ich verstehe, Sie sind sowohl Mitglied des Schreibkomitees als auch des Lehrkomitees?

ANTWORT:
Darf ich das kurz erklären? Jedes Mitglied der Leitenden Körperschaft hat ein sogenanntes „Heimatkomitee“, dem sein Büro zugeordnet ist. Ich selbst arbeite im Schreibkomitee, wirke aber auch beratend im Lehrkomitee und im Personalkomitee mit.

FRAGE:
Also, Sie sind Mitglied des Schreib-, Lehr- und Personalkomitees?

ANTWORT:
Das ist korrekt.

Teil 2: Aufbau und Funktion der Leitenden Körperschaft

FRAGE:
Können Sie kurz erklären, was es bedeutet, als „Berater“ in einem Komitee tätig zu sein?

ANTWORT:
Ja. Jedes Mitglied der Leitenden Körperschaft bringt bestimmte Kompetenzen ein. Mein Fachgebiet ist die Übersetzung – damit befasse ich mich schon sehr lange. Aber ich wurde natürlich auch wegen meiner geistigen Qualifikationen in die Leitende Körperschaft berufen. Als Berater im Lehr- und Personalkomitee prüfe ich Vorschläge darauf, ob sie erstens biblisch korrekt und zweitens übersetzbar sind.

FRAGE:
Das heißt, Sie übernehmen diese Funktion bei allen Themen, die in den Komitees behandelt werden?

ANTWORT:
Ja, das ist meine Rolle.

FRAGE:
Anders gesagt: Sie geben inhaltliche Anleitung und achten darauf, dass alle Entscheidungen und Arbeiten der Komitees biblisch fundiert sind?

ANTWORT:
Genau – und dass sie übersetzbar sind.

FRAGE:
Mit „übersetzbar“ meinen Sie in verschiedene Sprachen weltweit?

ANTWORT:
Ja. Sie wissen ja vermutlich, dass die Zeugen Jehovas ihre Literatur in fast 900 Sprachen übersetzen – ich glaube, es sind etwa 893 Übersetzerteams. Unsere Hauptzeitschrift Der Wachtturm erscheint in ca. 250 Sprachen. Daher ist es wichtig, dass Inhalte sprachlich vermittelbar sind.

FRAGE:
Ihr Beitrag in den Komitees beschränkt sich also nicht nur auf Übersetzungsfragen, sondern umfasst auch alle inhaltlichen Bereiche?

ANTWORT:
Ja, insbesondere im Hinblick auf die biblische Grundlage der Entscheidungen.


Struktur der Komitees

FRAGE:
Können Sie erklären, wie die Komitees mit der Leitenden Körperschaft zusammenhängen? Berichten die Komitees an das Gremium oder sind sie unabhängig?

ANTWORT:
Die Leitende Körperschaft besteht derzeit aus sieben Mitgliedern. Bei weltweit rund 8,2 Millionen aktiven Zeugen Jehovas und etwa 20 Millionen Interessierten ist es unmöglich, dass sieben Personen alle Aspekte des Werks im Blick haben können. Deshalb ist die Körperschaft in verschiedene Komitees unterteilt.

FRAGE:
Und diese Komitees sind der Leitenden Körperschaft rechenschaftspflichtig?

ANTWORT:
Ja, letztlich schon. Es besteht ein gewisses Vertrauensverhältnis. Die Personen in den jeweiligen Komitees haben spezielle Kenntnisse in ihren Bereichen, z. B. Bauwesen oder Personal. Man vertraut darauf, dass sie Entscheidungen innerhalb ihres Fachgebiets treffen – natürlich im Rahmen der biblischen Maßstäbe.

FRAGE:
Gibt es darüber hinaus weitere Unterstützer?

ANTWORT:
Ja, es gibt etwa 30 sogenannte „Helfer“, die nicht Teil der Leitenden Körperschaft sind, aber in den Komitees mitwirken. Sie geben Empfehlungen ab und setzen Richtlinien um.

FRAGE:
Nehmen diese Helfer auch an den wöchentlichen Sitzungen der Leitenden Körperschaft teil?

ANTWORT:
Nein, normalerweise nicht. Unsere Hauptsitzung findet immer mittwochs statt. Helfer werden nur eingeladen, wenn spezieller Input erforderlich ist. Sie haben kein Stimmrecht.


Ernennung und Entscheidungsprozesse

FRAGE:
Wie wird die Anzahl der Mitglieder der Leitenden Körperschaft festgelegt?

ANTWORT:
Die Anzahl ist variabel. Als ich berufen wurde, waren es 12 Mitglieder. In der Vergangenheit waren es auch mal 18. Entscheidend ist, dass die betreffenden Brüder als „gesalbte Zeugen Jehovas“ gelten, über viele Jahre Vollzeitdienst geleistet haben und als geistig geeignet angesehen werden.

FRAGE:
Wer entscheidet über neue Mitglieder?

ANTWORT:
Die Leitende Körperschaft selbst. Sie beruft neue Mitglieder nach sorgfältiger Prüfung.

FRAGE:
Gibt es eine Art Präsidenten oder Vorsitzenden?

ANTWORT:
Ja, es gibt einen jährlich wechselnden Vorsitzenden, der die Sitzungen moderiert. Er hat aber keine übergeordnete Entscheidungsgewalt.

FRAGE:
Wie trifft die Leitende Körperschaft Entscheidungen? Durch Mehrheitsbeschluss oder Konsens?

ANTWORT:
Zuerst werden alle Fakten zusammengetragen – oft durch Experten. Danach studiert jedes Mitglied das Thema im Gebet und anhand der Bibel. Meistens wird eine Entscheidung einstimmig getroffen.

FRAGE:
Und wenn keine Einigkeit herrscht?

ANTWORT:
Dann wird die Entscheidung vertagt. Wir glauben, dass der heilige Geist Gottes uns durch das Wort der Bibel leitet. Wenn also ein Mitglied Bedenken hat, wird weiter geforscht, bis Klarheit herrscht.

FRAGE:
Wie erkennen Sie, dass Gottes Geist eine Entscheidung leitet?

ANTWORT:
Indem wir die Bibel gründlich prüfen und im Gebet nach Führung suchen. Wenn ein Gedanke oder ein Aspekt später klar wird, den man vorher übersehen hat, sehen wir das als Wirken des heiligen Geistes an.

Teil 3: Selbstverständnis der Leitenden Körperschaft als „treuer und verständiger Sklave“

FRAGE:
In der Literatur der Zeugen Jehovas wird die Leitende Körperschaft als der „treue und verständige Sklave“ bezeichnet. Können Sie uns kurz erklären, was das bedeutet?

ANTWORT (Jackson):
Gerne. Wenn ich darf, würde ich dazu direkt aus meiner Bibel zitieren – Matthäus, Kapitel 24, Verse 45 und 46:

„Wer ist denn der treue und verständige Sklave, den der Herr über seine Hausgenossen gesetzt hat, um ihnen zur rechten Zeit ihre Speise zu geben? Glücklich ist jener Sklave, den sein Herr bei der Rückkehr damit beschäftigt findet!“

Die Leitende Körperschaft versteht sich selbst als die Erfüllung dieses Gleichnisses: Sie sieht es als ihre Aufgabe, geistige Speise zur rechten Zeit zu geben, also die biblische Lehre für die weltweite Gemeinschaft der Zeugen Jehovas aufzubereiten und zu verbreiten.

FRAGE:
Gibt es weitere Bibelstellen, auf die Sie sich stützen?

ANTWORT:
Ja, eine wichtige Stelle findet sich in Apostelgeschichte 6. Dort gab es im 1. Jahrhundert ein praktisches Problem, weil bestimmte Witwen bei der Versorgung übersehen wurden. Die Apostel sagten in Vers 4:

„Wir aber wollen im Gebet und im Dienst des Wortes verharren.“

Das sehen wir als unsere Aufgabe: uns auf das Gebet und das Wort Gottes zu konzentrieren, während andere sich um organisatorische Fragen kümmern.


Berechtigung zur Führung und geistliche Autorität

FRAGE:
In Apostelgeschichte 6 heißt es: „Sucht unter euch sieben bewährte Männer aus.“ Bedeutet das, dass die Gemeinde als Ganzes die Entscheidung trifft – nicht die Apostel allein?

ANTWORT:
Das ist eine berechtigte Frage. Es zeigt auch eine Schwierigkeit: Eine weltliche Kommission analysiert hier ein religiöses System. Unsere Auslegung ist, dass die Apostel letztlich die Entscheidung trafen, auch wenn die Gemeinde Vorschläge machte.

FRAGE:
Betrachten Sie sich als durch Jehova Gott berufene Männer?

ANTWORT:
Wir verstehen uns als Mitknechte unserer Brüder und Schwestern, mit der Verantwortung, über die Lehre zu wachen. Ähnlich wie Älteste als „durch heiligen Geist ernannt“ gelten, weil sie biblische Kriterien erfüllen, sehen wir auch unsere Berufung.

FRAGE:
Das heißt, Sie glauben, als „gesalbte Brüder“ durch den heiligen Geist dazu berufen worden zu sein?

ANTWORT:
Ja. Aber es gibt viele Gesalbte unter den Zeugen Jehovas, die nicht Teil der Leitenden Körperschaft sind.

FRAGE:
Sind alle Ältesten gesalbt?

ANTWORT:
Nein. Die „Gesalbten“ sind eine spezielle Gruppe mit himmlischer Hoffnung, wie sie in Römer 8 beschrieben wird. Die meisten Zeugen Jehovas hoffen auf ein ewiges Leben auf der Erde.

FRAGE:
Bezieht sich die Zahl 144.000 in der Offenbarung auf diese Gruppe?

ANTWORT:
Ja, Offenbarung 14 beschreibt die Gesamtheit der Gesalbten, die in den Himmel kommen sollen – wir verstehen diese Zahl symbolisch als begrenzt.


Führungsanspruch auf geistiger Ebene

FRAGE:
Sehen Sie sich als heutige Entsprechung der Jünger Jesu?

ANTWORT:
Wir streben an, Jesu Jünger zu sein – das ist unser Ziel.

FRAGE:
Sehen Sie sich als Sprecher Gottes auf Erden?

ANTWORT:
Es wäre anmaßend, zu sagen, wir seien die einzigen Sprecher Gottes. Die Bibel zeigt, dass auch andere Menschen in Harmonie mit dem Geist Gottes Trost spenden und helfen können.

Aber wir glauben, dass sich Jesu Worte aus Matthäus 24 in unserer Zeit erfüllen – dass es in den „letzten Tagen“ einen „Sklaven“ geben würde, der für die Verteilung der geistigen Speise zuständig ist. In diesem Sinne sehen wir unsere Rolle.

Teil 4: Veröffentlichungen, Richtlinien und Ältestenbriefe

FRAGE:
Ich möchte nun auf ein Dokument zu sprechen kommen – das Branch Organization Manual, Januar 2015, Kapitel 1. Liegt Ihnen die erste Seite dieses Kapitels vor?

ANTWORT (Jackson):
Ja, das tut sie. Vielen Dank, Mr. Stewart.

FRAGE:
In Absatz 1 heißt es:

„Die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas besteht aus Brüdern, die gesalbte Diener Jehovas sind.“

Sehen Sie das auch so, wie Sie es eben beschrieben haben?

ANTWORT:
Ja, das ist korrekt.

FRAGE:
Weiter steht dort:

„Sie tragen die Verantwortung für die Anleitung und den Antrieb im Königreichswerk.“

Das trifft ebenfalls auf Ihr Selbstverständnis zu?

ANTWORT:
Ja, das ist richtig.

FRAGE:
Es heißt dort auch:

„Wie ihr Gegenstück im ersten Jahrhundert richtet sich die Leitende Körperschaft heute nach Jehova, dem universellen Souverän, und Jesus Christus, dem Haupt der Versammlung, wenn es um Anleitung in allen Angelegenheiten geht.“

Auch das spiegelt Ihre Überzeugung wider?

ANTWORT:
Ja, genau so sehen wir das.


Verbindlichkeit interner Richtlinien

FRAGE:
In Absatz 2 heißt es:

„Die Bibel sagt: ‚Alles soll anständig und ordentlich geschehen.‘ Die Leitende Körperschaft gehorcht dieser Anweisung, indem sie hilfreiche Verfahren und Richtlinien einführt, um den reibungslosen Ablauf in Zweigbüros und Versammlungen sicherzustellen.“

Sind damit die Verfahrensweisen und Richtlinien gemeint, die durch die Wachtturm-Gesellschaft, insbesondere deren Zentrale in Pennsylvania, herausgegeben werden?

ANTWORT:
Wenn ich das richtig verstehe, ja. Aber ich möchte klarstellen: Diese Publikation ist kein rechtliches Dokument, kein Vertrag, keine Verfassung. Sie beschreibt das Verhältnis und die Verantwortung zwischen der Leitenden Körperschaft und den Zweigkomitees – auf geistiger Ebene.

FRAGE:
Es heißt dort auch:

„Verantwortungsbewusste christliche Männer geben durch ihren Gehorsam ein Beispiel, indem sie solche Anordnungen umsetzen.“

Erwartet die Leitende Körperschaft also, dass sich die Zweigbüros weltweit an diese Richtlinien halten?

ANTWORT:
Das ist unsere Erwartung, ja – sofern die Richtlinien mit der Bibel übereinstimmen. Unsere Organisation basiert nicht auf einem juristischen Modell, sondern ist eine glaubensbasierte Struktur. Unsere oberste Loyalität gilt Jehova. Wenn wir etwas veröffentlichen würden, das nicht mit der Bibel übereinstimmt, würden es Jehovas Zeugen weltweit erkennen und infrage stellen.


Hierarchische Verantwortungskette

FRAGE:
Wenn ich das richtig verstehe, dann ist die Struktur folgendermaßen:

  • Die Leitende Körperschaft richtet sich nach Jehova Gott.
  • Die Zweigbüros folgen der Leitenden Körperschaft.
  • Die Versammlungen folgen den Zweigbüros.

Ist das korrekt?

ANTWORT:
Grundsätzlich ja. Aber zuerst muss jeder einzelne Jehova gehorchen – auch die Zweigkomitees. Die geistliche Autorität beruht auf der Bibel. Wenn Anweisungen im Einklang mit der Bibel stehen, erwarten wir, dass man ihnen folgt.

FRAGE:
Die maßgebliche Interpretation der Bibel erfolgt also durch die Leitende Körperschaft?

ANTWORT:
Ja. Als Hüter unserer Lehre muss eine zentrale Instanz Entscheidungen treffen. Aber das geschieht nicht isoliert – wir lassen uns von der Bibel und von sachkundigen Brüdern beraten.


Verantwortung für Veröffentlichungen

FRAGE:
In Absatz 4 heißt es:

„Die Leitende Körperschaft gibt die endgültige Genehmigung für neue Publikationen sowie Audio- und Videoprogramme.“

Das fällt unter die Verantwortung des Schreibkomitees, korrekt?

ANTWORT:
Ja, das ist richtig.

FRAGE:
Absatz 5 sagt:

„Die Leitende Körperschaft ist zuständig für die Ernennung und Abberufung von Mitgliedern der Zweig- und Landeskomitees und bestimmt den Koordinator.“

Trifft das ebenfalls zu?

ANTWORT:
Ja, auch das ist korrekt.

FRAGE:
Gehören zu den von der Leitenden Körperschaft genehmigten Veröffentlichungen auch der Wachtturm und Erwachet!?

ANTWORT:
Ja, natürlich. Aber es ist ein Prozess: Es gibt ein Korrektorat, das für Grammatik zuständig ist, Setzer für das Layout usw. Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Inhalte biblisch korrekt und übersetzbar sind.

FRAGE:
Übernimmt die Leitende Körperschaft auch die Verantwortung für Handbücher wie Hütet die Herde Gottes, Organisiert, den Willen Jehovas zu tun und das Branch Organization Manual?

ANTWORT:
Ja, spirituelle Verantwortung schon – aber wir verfassen diese Handbücher nicht selbst. Fachkundige Brüder recherchieren und entwerfen die Inhalte. Die Leitende Körperschaft liest sie abschließend durch, um sicherzustellen, dass nichts im Widerspruch zur Bibel steht.


FRAGE:
Und was ist mit den sogenannten Ältestenbriefen – also den standardisierten Schreiben an die Ältestenschaft weltweit?

ANTWORT:
Wenn sie im Namen der Leitenden Körperschaft unterzeichnet sind, ja. Aber es gibt viele Briefe, die aus anderen Abteilungen kommen – nicht alle stammen direkt von uns.

FRAGE:
Ich meine die allgemeinen, weltweit versandten Richtlinienschreiben, nicht einzelne Einzelfalllösungen.

ANTWORT:
Solche Briefe beruhen oft auf einer von uns genehmigten Vorlage. Regionale Bethelbüros dürfen diese teilweise an lokale Gegebenheiten anpassen, solange keine biblischen Grundsätze verletzt werden.

FRAGE:
Und auch diese lokalen Anpassungen müssen vom Hauptsitz genehmigt werden?

ANTWORT:
Nicht in jedem Fall. Wenn es sich um nicht-lehrmäßige Fragen handelt, dürfen die Zweige Anpassungen eigenständig vornehmen. Wenn es um biblische Grundsätze geht, müssen sie sich an uns wenden.

Teil 5: Geistliche Autorität, Verantwortung und Kindesmissbrauch

FRAGE:
Herr Jackson, würden Sie mir zustimmen, dass es in Ihrer Organisation eine klare Struktur der Verantwortung und des Gehorsams gibt?

ANTWORT (Jackson):
Ja, aber mit einer wichtigen Einschränkung: An erster Stelle steht immer der Gehorsam gegenüber Jehova Gott. Alle anderen Ebenen – Zweigbüros, Versammlungen, Älteste – sind diesem Prinzip untergeordnet. Wenn Anweisungen gegeben werden, die auf der Bibel beruhen, erwarten wir, dass ihnen aus Respekt vor Gottes Wort Folge geleistet wird.

FRAGE:
Wer legt fest, was eine gültige biblische Interpretation ist?

ANTWORT:
Die Leitende Körperschaft. Wir übernehmen die geistliche Verantwortung dafür, dass Lehre und Richtlinien mit der Bibel übereinstimmen.

FRAGE:
Und dies schließt auch Handlungsrichtlinien für Älteste im Umgang mit schwerwiegenden Verfehlungen – etwa sexuellem Missbrauch – mit ein?

ANTWORT:
Ja. Die Leitende Körperschaft gibt die allgemeinen Grundsätze vor. Die konkrete Anwendung erfolgt durch die Dienstabteilungen in den Zweigbüros und durch die Ältestenschaft vor Ort. Diese sind angehalten, sich an biblische Maßstäbe zu halten – insbesondere an Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Reinheit.


Veröffentlichung und Genehmigung von Anweisungen

FRAGE:
Beinhaltet Ihre Verantwortung als Leitende Körperschaft auch die Genehmigung von internen Richtlinienschreiben, etwa an Älteste weltweit?

ANTWORT:
Wenn die Briefe im Namen der Leitenden Körperschaft veröffentlicht werden – ja. Aber viele Briefe werden durch Dienstabteilungen formuliert, die dafür zuständig sind, Standardrichtlinien auf konkrete Situationen anzuwenden. Diese verwenden häufig genehmigte Vorlagen.

FRAGE:
Also übernehmen Sie letztlich die Verantwortung für den Inhalt dieser Anweisungen?

ANTWORT:
Ja – geistlich gesehen. Wenn etwa ein inhaltlicher Fehler oder eine Formulierung auftaucht, die missverständlich oder nicht biblisch ist, dann liegt es in unserer Verantwortung, dies zu korrigieren. Aber wir verlassen uns auf Fachleute in den jeweiligen Bereichen.

FRAGE:
Können Zweigbüros also lokale Anpassungen vornehmen?

ANTWORT:
In gewissen Rahmen, ja. Zum Beispiel bei Fragen der Organisation oder Kommunikation. Lehrmäßige Anpassungen oder Abweichungen von biblischen Grundsätzen müssen jedoch von der Leitenden Körperschaft genehmigt werden.


Verantwortung bei Kindesmissbrauch

FRAGE:
Können Sie bestätigen, dass es innerhalb Ihrer Organisation klare Richtlinien für den Umgang mit Kindesmissbrauch gibt?

ANTWORT:
Ja, wir nehmen dieses Thema sehr ernst. Es gibt eine Reihe von Anweisungen und Veröffentlichungen, die den Ältesten helfen sollen, biblische Maßstäbe korrekt anzuwenden. Wenn Missbrauchsvorwürfe auftauchen, sollen die Ältesten zunächst zwei Zeugen oder ein Geständnis einholen – das basiert auf biblischen Prinzipien.

FRAGE:
Aber das bedeutet, dass in vielen Fällen – insbesondere bei sexuellem Missbrauch – keine weiteren Schritte eingeleitet werden, weil kein zweiter Zeuge vorhanden ist?

ANTWORT:
Das stimmt nur teilweise. Wir weisen die Ältesten ausdrücklich an, in solchen Fällen keine internen Ermittlungen allein durchzuführen, sondern juristischen Rat einzuholen und den Behörden Folge zu leisten, sofern das Gesetz dies verlangt.

FRAGE:
Aber wenn das Gesetz keine explizite Meldepflicht vorsieht – handeln die Ältesten dann trotzdem?

ANTWORT:
Unsere interne Anweisung ist: Wenn Gefahr für ein Kind besteht oder sich ein Ältester unsicher ist, soll er sich an die Dienstabteilung wenden, die wiederum entscheiden kann, wie vorzugehen ist. Wir unterstützen ausdrücklich, dass die Gesetze der jeweiligen Länder eingehalten werden.

FRAGE:
Würden Sie sagen, dass Ihre Organisation strukturell so aufgestellt ist, dass Betroffene geschützt werden?

ANTWORT:
Das ist unser erklärtes Ziel. Aber wir sind uns bewusst, dass wir als geistliche Organisation keine staatliche Behörde sind. Deshalb betonen wir immer wieder: Der Schutz von Kindern liegt in erster Linie bei den Eltern und staatlichen Institutionen – wir unterstützen das so gut wir können.

Teil 6: Religiöse Selbstdefinition vs. juristische Verantwortung

FRAGE:
Herr Jackson, wenn wir all das zusammenfassen, sagen Sie also, dass die Leitende Körperschaft letztlich für die Lehraussagen, internen Anweisungen und organisatorischen Strukturen der Zeugen Jehovas weltweit verantwortlich ist?

ANTWORT (Jackson):
Ja, wir tragen die geistliche Verantwortung dafür. Aber ich möchte betonen, dass wir keine juristische Autorität im Sinne eines Unternehmens oder eines weltlichen Verwaltungsapparats sind. Wir sind eine glaubensbasierte Struktur, und unsere Loyalität gilt in erster Linie Gott, nicht einer menschlichen Institution.

FRAGE:
Aber wenn durch eine von Ihnen genehmigte Richtlinie Schaden entsteht – etwa durch unterlassene Meldung von Missbrauch – übernehmen Sie dann auch die Verantwortung?

ANTWORT:
Wenn es sich um eine geistliche Anweisung handelt, die auf der Bibel basiert und missverstanden oder falsch angewendet wurde, ja – dann sehen wir uns in der Verantwortung, das zu korrigieren. Aber für rechtliche Konsequenzen sind die jeweils zuständigen Körperschaften oder Personen verantwortlich, z. B. Älteste oder Dienstabteilungen vor Ort.


Die Rolle der Bibel und des „Heiligen Geistes“

FRAGE:
Sie haben zuvor gesagt, dass Entscheidungen der Leitenden Körperschaft unter dem Einfluss des Heiligen Geistes getroffen werden. Können Sie erklären, wie Sie erkennen, dass eine Entscheidung „geistgeleitet“ ist?

ANTWORT:
Durch Gebet, intensives Bibelstudium und das gemeinsame Gespräch. Wenn in einem Komitee zum Beispiel Meinungsverschiedenheiten bestehen, verschieben wir die Entscheidung – in der Erwartung, dass durch weiteres Studium und Gebet ein biblischer Konsens entsteht. Das verstehen wir als Führung durch den Heiligen Geist.

FRAGE:
Das bedeutet aber auch, dass Entscheidungen wie etwa der Umgang mit Missbrauch nicht „unfehlbar“ sind?

ANTWORT:
Nein. Wir behaupten nicht, unfehlbar zu sein. Aber wir glauben, dass Gottes Geist uns hilft, richtige Entscheidungen zu treffen – insbesondere, wenn wir uns demütig auf das Wort Gottes stützen.


Die Bibel als „Verfassung“

FRAGE:
Sie haben vorhin die Bibel als Ihre „Verfassung“ bezeichnet. Können Sie das noch einmal erläutern?

ANTWORT:
Ja. Für uns ist die Bibel das höchste Regelwerk – sie ist unsere geistliche Verfassung. Alle Anweisungen, die wir geben, müssen mit ihr übereinstimmen. Widerspricht eine Handlung der Bibel, hat sie keine Autorität, auch wenn sie von einer Dienstabteilung ausgeht.

FRAGE:
Und die Leitende Körperschaft ist die Instanz, die maßgeblich interpretiert, was biblisch ist?

ANTWORT:
Richtig. Wir sind die „Hüter der Lehre“, wie wir es nennen. Doch wir holen auch Rückmeldungen ein – von Ältesten, Zweigkomitees oder erfahrenen Brüdern weltweit. Wir versuchen, nichts leichtfertig oder autoritär zu entscheiden.


Schlussbetrachtung der Kommission

FRAGE (abschließend):
Könnten Sie bitte noch einmal klarstellen: Wenn eine Zweigstelle oder ein Ältestenkörper eine Anweisung der Leitenden Körperschaft nicht umsetzt – ist das dann ein Verstoß gegen die geistliche Ordnung?

ANTWORT:
Wenn es sich um eine biblisch fundierte Anweisung handelt – ja. Dann erwarten wir, dass sie umgesetzt wird. Wenn es jedoch regionale Besonderheiten oder rechtliche Gründe gibt, kann Rücksprache gehalten werden. Wir sind offen für Anpassungen, solange die biblischen Grundsätze gewahrt bleiben.


Damit endet der dokumentierte Teil der Anhörung über die strukturelle und geistliche Selbstwahrnehmung der Leitenden Körperschaft. Im weiteren Verlauf (nicht vollständig im Transkript enthalten) ging es dann spezifisch um einzelne Missbrauchsfälle und deren interne Bearbeitung durch Älteste, was später in Fallstudie 29 vertieft wurde.

Quelle (engl. Original): Royal Commission into Institutional Responses to Child Sexual Abuse, Transkript vom 14.08.2015, Tag 155 – Fallstudie 29.
https://www.childabuseroyalcommission.gov.au/public-hearings/case-study-29-jehovahs-witnesses