Obwohl sich die Zeugen Jehovas als bescheidene, spendenfinanzierte Glaubensgemeinschaft präsentieren, zeigt eine genauere Analyse: Die Organisation besitzt weltweit Luxusimmobilien, nutzt Holdingstrukturen in Steueroasen und ist über undurchsichtige Firmengeflechte aktiv. Beispiele wie der Verkauf millionenschwerer Wohnungen in London oder der juristische Trick in Mexiko zur Eigentumssicherung zeigen: Besitz und wirtschaftliche Interessen werden oft höher gewichtet als spirituelle Prinzipien. Während Mitglieder zu Einfachheit aufgerufen werden, operiert die Führung global mit wirtschaftlicher Raffinesse – ohne echte Transparenz. Ein klassisches Beispiel für doppelte Standards.
Die Finanz- und Firmenstruktur der Wachtturm-Gesellschaft im Licht ihrer eigenen Lehren
Jehovas Zeugen verstehen sich als von weltlichen Interessen unabhängige, „nichtkommerzielle“ Religionsgemeinschaft, die ihre Tätigkeit ausschließlich durch freiwillige Spenden finanziert. Die Organisation ruft regelmäßig zu Bescheidenheit, materieller Einfachheit und geistiger Ausrichtung auf. Doch wie passt dieses Selbstbild zu Luxusimmobilien, internationalen Holdingstrukturen und schwer nachvollziehbaren Firmengeflechten? Dieses Kapitel beleuchtet finanzielle Aspekte der Wachtturm-Gesellschaft, insbesondere im Spannungsfeld zwischen gelehrter Armutsideologie und dokumentierter Vermögensverwaltung.
1. Finanzielle Größe – schwer durchschaubar, aber eindrucksvoll
Zuverlässige aktuelle Zahlen zur Finanzlage der Wachtturm-Gesellschaft sind kaum verfügbar, da die Organisation ihre Bilanzen nicht öffentlich zugänglich macht. Doch ältere Angaben geben Hinweise: Bereits im Jahr 2001 wurde der Umsatz der Watch Tower Bible and Tract Society of New York auf rund 950 Millionen US-Dollar geschätzt. Damit gehörte sie laut damaligen Berichten zu den vierzig umsatzstärksten Organisationen in New York – einem der bedeutendsten Finanzplätze der Welt.
Im Jahresbericht 1997/98 der Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania stieg das ausgewiesene Vermögen innerhalb eines Jahres von 604 auf 705 Millionen US-Dollar ein Zuwachs von über 100 Millionen. Diese Zahl bezieht sich auf nur eine juristische Einheit unter vielen weltweit.
2. Immobilien als stille Kapitalquelle – Beispiel IBSA Property
Besonders auffällig sind Immobilienprojekte der Organisation. Über die Tochtergesellschaft „International Bible Students Association“ (IBSA) vermarktet die Wachtturm-Gesellschaft u. a. exklusive Wohnungen in Londoner Toplagen – z. B. über die Website ibsaproperty.com (zwischen 2019 und 2025 online). Die Preise dieser Luxuswohnungen liegen teils bei über 1 Million Pfund. Dabei handelt es sich nicht um Versammlungsräume oder einfache Wohnräume, sondern um stilvoll designte Apartments mit hochwertiger Ausstattung.
Dieses Bild zeigt ein Immobilienangebot der Organisation IBSA London, die laut eigener Angabe für die Zeugen Jehovas in Großbritannien tätig ist.



Screenshot von 2023: IBSA London Properties (ehem. Website, Stand 2025, nicht mehr erreichbar)
Die IBSA ist eine gemeinnützige Organisation mit religiösem Zweck, gegründet 1914 durch Charles Taze Russell. Interessanterweise fällt dieses Gründungsdatum genau in das Jahr, das unter Bibelforschern (den Vorläufern der Zeugen Jehovas) als Beginn von Harmagedon erwartet wurde. Ob Zufall oder strategischer Weitblick: Russell ließ zu diesem Zeitpunkt eine juristisch-profitable Struktur etablieren, deren Vermögensverwalter heute als gemeinnützig gilt.

Eine Übersicht über Immobilienverkäufe in New York zwischen 2004 und 2013 zeigt, dass die Organisation mit mehr als 21 Einzeltransaktionen über 800 Millionen US-Dollar erlöst hat – u. a. mit dem Verkauf von 360 Furman Street (Kaufpreis 1983: 3,9 Mio. $, Verkaufspreis 2004: 205 Mio. $) und mehrerer weiterer Gebäude im Gesamtwert von 375 Mio. $ im Jahr 2013.
3. Internationale Firmengeflechte und mögliche Steuerstrukturen
Unternehmensstrukturen in Offshore-Finanzzentren
Im Umfeld der Watch Tower Bible and Tract Society existieren zahlreiche juristische Personen, die Begriffe wie „Watch Tower“, „Watchtower“ oder „International Bible Students Association“ im Namen führen. In verschiedenen öffentlich einsehbaren internationalen Firmenregistern finden sich u. a. folgende Gesellschaften:
- Watchtower Holdings LTD. (St. Kitts)
- Watchtower Investments LTD. (Jungferninseln)
- IBSA Finance INC (Barbados)
Auch die Namen „Foundation of Jehovah’s Witnesses of Aruba“ oder „International Bible Students Association“ in Samoa und Barbados sind in Unternehmensverzeichnissen verzeichnet. Eine direkte Eigentümerverbindung zur Wachtturm-Gesellschaft lässt sich nicht in jedem Fall nachweisen. Die Namensähnlichkeit und die globale Präsenz legen jedoch eine organisatorische Nähe zumindest nahe.
Die Nutzung von Holdingstrukturen in Ländern mit niedriger Steuerbelastung ist nicht unüblich und rechtlich zulässig. In Verbindung mit dem Selbstanspruch der Organisation als bescheidene, spendenfinanzierte Glaubensgemeinschaft kann dies jedoch zu Irritationen führen.
Besonders problematisch erscheint eine frühere Beteiligung an REGI U.S. Inc. (Rand Cam), einem Unternehmen, das u. a. mit dem US-Militär kooperierte. Diese Beteiligung wurde über das Konstrukt Atomic Vapor Associates realisiert, an dem ein Zeuge Jehovas (James McCann) direkt beteiligt war. REGI U.S. entwickelte Technologien zur Energieumwandlung für militärische Anwendungen. Auch wenn sich die Organisation später davon distanzierte, bleibt der moralische Widerspruch evident.
Jah-Jireh und karitative Aktivitäten
Ein weiterer interessanter Akteur ist Jah-Jireh, eine gemeinnützige Organisation, die Pflegeheime für ältere Mitglieder der Zeugen Jehovas betreibt. Laut eigener Webseite handelt es sich um eine Nonprofit-Struktur. Gleichzeitig finden sich in Offshore-Firmendatenbanken folgende Unternehmen:
- Jehovah JIREH LTD (Singapur)
- JEHOVAH JIRAH LTD (St. Kitts)
- JEHOVAH JIRAH Trust (St. Kitts)
- Jehovah JirEH Holdings (Cook Islands)
Auch hier ist die genaue juristische Verbindung zur Wachtturm-Gesellschaft nicht abschließend belegbar. Dennoch werfen solche Konstellationen Fragen nach Transparenz und Gemeinnützigkeit auf.
In Anbetracht der Lehre Jesu zur Aufrichtigkeit im Umgang mit Geld (Matthäus 22:21) sowie dem biblischen Ideal des Lichts als Symbol der Wahrheit (Johannes 3:20), erscheint es angemessen, eine kritische Prüfung solcher Strukturen vorzunehmen – nicht im Sinne von Anklage, sondern im Sinne verantwortungsvoller Aufklärung.
4. Fall Mexiko – Religionsfreiheit oder Besitzstandswahrung?
Bis 1989 war es religiösen Organisationen in Mexiko gesetzlich verboten, Immobilien zu besitzen (Verfassung, Art. 27 Abs. II). Die Zeugen Jehovas standen somit vor der Wahl: den Besitz ihrer Königreichssäle abgeben oder auf zentrale Elemente ihrer Anbetung verzichten.


Die Leitende Körperschaft entschied sich – nicht für das Gebet, nicht für den Gesang, nicht für den offenen Bibelgebrauch, sondern für das Eigentum. Um die drohende Verstaatlichung zu umgehen, wurde der mexikanische Zweig kurzerhand als kulturelle Organisation registriert.
Doch diese juristische Konstruktion hatte tiefgreifende Folgen: Kein öffentliches Gebet mehr, kein Gesang, kein Bibelgebrauch im Predigtdienst. Ein einschneidender Verlust – religiös, spirituell, symbolisch.
Der Wachtturm vom 1. Januar 1990 (S. 7) lobte rückblickend, dass „nach der Änderung des Status […] wieder gebetet und die Bibel verwendet werden durfte“ – doch er verschwieg, dass diese Einschränkungen nicht gesetzlich gefordert, sondern freiwillig zur Besitzsicherung akzeptiert worden waren.
Ein Vergleich drängt sich auf: Daniel stellte das öffentliche Gebet über sein Leben (Dan 6) – die Leitende Körperschaft dagegen unter das Eigentumsrecht.
Matthäus 23,16: „Wehe euch, ihr blinden Führer! Ihr sagt: Wenn jemand beim Tempel schwört, hat das nichts zu bedeuten, aber wenn er beim Gold des Tempels schwört, dann ist er an seinen Eid gebunden.“
Der Fall Mexiko wirft eine unbequeme Frage auf:
Was wiegt mehr im Herzen der Organisation – der Glaube oder das Grundbuch?
Eine Aufgabe des Immobilienbesitzes hätte den vollen Ausdruck des Glaubens hingegen erlaubt.
Der Fall wirft die ethische Frage auf, ob die Organisation den spirituellen Ausdruck dem materiellen Eigentum untergeordnet hat.
Auch in Deutschland zeigt sich, wie eng rechtlicher Status und Eigentum verknüpft sind: Seit Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts 2006 wurden zahlreiche Versammlungsimmobilien formal an die WTG übertragen – mit Rückfallklausel im Fall einer Auflösung. Der potenzielle Vermögenszuwachs daraus wird konservativ auf über 300 Mio. € geschätzt.
5. Wohltätigkeit? Eine bewusst begrenzte Strategie
Die Wachtturm-Gesellschaft betont in vielen Veröffentlichungen, dass sie keine karitative Organisation sei. Der „barmherzige Samariter“ wird als Vorbild geistiger, nicht materieller Hilfe interpretiert:
„Unsere Hauptaufgabe besteht darin, ihnen geistig und nicht materiell zu helfen.“ (Wachtturm, Mai 2017, S. 7)
„Die Menschen sind möglicherweise auch der Meinung, dass wir Schulen und Krankenhäuser bauen und andere wohltätige Zwecke erfüllen sollten. […] Wir sollten uns niemals davon ablenken lassen.“ (Wachtturm, Mai 2021, S. 7)
Diese Haltung steht im Kontrast zu der Möglichkeit, mit einem weltweit operierenden Vermögen tatsächlich große Hilfe zu leisten. Die Konzentration auf Predigttätigkeit wird innerhalb der Organisation als höchste Form des Dienstes angesehen – was den Verzicht auf karitatives Engagement als Tugend erscheinen lässt.
Ganz nach dem Vorbild des barmherzigen Samariters oder etwas nicht?

Fazit:
Finanzen als Lackmustest geistlicher Aufrichtigkeit?
Die Finanzstruktur der Wachtturm-Gesellschaft offenbart ein Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Der moralische Appell zur Bescheidenheit richtet sich primär an die Mitglieder, während die Organisation selbst von steuerlich optimierten Strukturen, Immobiliengewinnen und internationaler Vermögensplanung profitiert.
Dabei ist wirtschaftliches Handeln per se nichts Verwerfliches. Verwerflich wird es erst dort, wo die Organisation doppelte Standards etabliert – etwa durch Investitionen in rüstungsnahe Technologie oder Versicherungsstrukturen, wie sie z. B. im US-Bundesstaat Iowa zugelassen sind. Laut offiziellem Register wurde die WTG dort als Anbieter sogenannter Schenkungsrenten registriert.
Mit Blick auf Matthäus 8:20 („Der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlegen kann“) und Markus 7:13 („So macht ihr das Wort Gottes durch eure Überlieferung ungültig“) drängt sich die Frage auf, wie viel institutioneller Reichtum mit einem nach außen verkündeten Anspruch auf Einfachheit noch vereinbar ist.
Es ist dabei nichts Verwerfliches daran, wenn eine Organisation wirtschaftlich handelt. Verwerflich wird es erst dort, wo mit zweierlei Maß gemessen wird: Wenn Mitglieder für kleinste Verstöße gegen „Neutralität“ gemaßregelt oder ausgeschlossen werden, während die Leitungsebene internationale Verbindungen nutzt, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu wahren.
Quellen: Ibsaproperty.com, Handelsregister UK, Wachtturm-Archiv, UIA (Union of International Associations), The Guardian, Wachtturm 1990, 2017, 2021, Finanzregister Barbados/Samoa, Investigativdaten aus Offshore-Leaks.
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Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag dient der journalistischen und theologisch fundierten Auseinandersetzung mit öffentlich dokumentierten Vorgängen der Wachtturm-Gesellschaft. Alle Zitate dienen der kritischen Analyse gemäß § 51 UrhG (Zitatrecht). Alle genannten Gruppennamen und Begriffe sind eingetragene Bezeichnungen der jeweiligen Organisationen und werden hier ausschließlich im Rahmen zulässiger Berichterstattung nach § 50 UrhG und § 5 GG verwendet.


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