Führungsfiguren (Leitenden Körperschaft) der Zeugen Jehovas im historischen und ethischen Kontext.

Die Organisation der Zeugen Jehovas wird nach außen oft als religiöse Gemeinschaft mit klaren moralischen Leitlinien dargestellt. Wer jedoch einen genaueren Blick auf ihre höchsten Führungsfiguren wirft – ihre Aussagen, ihr Verhalten und ihre Geschichte –, erkennt ein anderes Bild: autoritäre Kontrolle, problematische Aussagen, und eine tief verwurzelte Angst vor abweichendem Denken. Dieser Beitrag dokumentiert zentrale Persönlichkeiten der Leitenden Körperschaft und ordnet sie historisch, theologisch und ethisch ein.


Anthony Morris III, das Streichholz und die Bildsprache der Organisation:

Anthony Morris III war von 2005 bis Februar 2023 Mitglied der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas, dem weltweit höchsten Führungsgremium der Religionsgemeinschaft. Seine Mitgliedschaft begann laut offiziellen JW-Verlautbarungen am 1. September 2005 und endete ohne Angabe von Gründen im Februar 2023.

Quellen:

  • Watchtower Library – Announcement September 2005
  • Offizielle Bekanntmachung 2023 (nicht öffentlich, aber durch avoidjw.org dokumentiert)

Symbolhandlung im JW-Broadcast: Streichholz als Bild für göttliches Strafgericht

In einem öffentlich ausgestrahlten JW-Broadcast-Video, das zeitweise auf der offiziellen Medienplattform der Zeugen Jehovas (jw.org) verfügbar war, demonstrierte Anthony Morris III eine Szene, die bei vielen Zuschauern Irritation auslöste. Im Zusammenhang mit dem Bibelvers Psalm 37:20:

„Aber die Feinde Jehovas werden vergehen. Sie werden wie Pracht auf Wiesen verschwinden – wie Rauch werden sie verschwinden.“ (Neue-Welt-Übersetzung, 2018)

… zündete Morris ein Streichholz an, betrachtete es und ließ es kontrolliert abbrennen. Die Geste wurde mit einem süffisanten Lächeln begleitet und stand offensichtlich in Zusammenhang mit dem Schicksal sogenannter „Abtrünniger“ – also ehemaliger Mitglieder, die die Organisation verlassen und sie öffentlich kritisieren. Die bei Gottesgericht „Harmagedon“ brennen sollen…

Das Video wurde unter der Rubrik „Morning Worship“ mit dem Titel „Jehovah Will ‚Carry It Out‘ (Isaiah 46:11)“ ausgestrahlt.

Quelle: https://avoidjw.org/video/videos-removed-from-jw-org/

Deutung und rechtlicher Kontext

Diese Szene wurde von zahlreichen Zuschauern – darunter ehemaligen Mitgliedern, Medienbeobachtern und Religionssoziologen – als eine bedrohlich inszenierte Symbolhandlung wahrgenommen. Die implizite Botschaft: Personen, die sich der Organisation widersetzen, seien zum Untergang bestimmt – ein häufig wiederkehrendes Motiv in Publikationen der Zeugen Jehovas.

Hinweis: Das Video wurde später von der offiziellen Plattform entfernt. In Online-Archiven, Ex-Zeugen-Foren und Medienkommentaren wurde die Szene jedoch dokumentiert und diskutiert.

Quelle: avoidjw.org – Bericht zur Entfernung

Rechtlicher Hinweis¹: Die Bewertung religiöser Symbolik fällt unter das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Die Wahrnehmung dieser Szene als bedrohlich oder suggestiv stellt eine zulässige subjektive Interpretation dar, die sich auf dokumentierte Inhalte stützt.

Abschließende Bewertung

Die Inszenierung mit dem Streichholz ist kein Einzelfall. In den Lehren der Zeugen Jehovas ist die Vorstellung eines göttlichen Strafgerichts gegen sogenannte Abtrünnige tief verankert. Die Geste von Anthony Morris III visualisiert diese Glaubensvorstellung auf drastische Weise – in einem offiziellen Lehrvideo, das viele als Warnung, manche als Drohung verstehen.

„Der Dritte – aber wo sind I und II?“

Anthony Morris wird seit jeher als „Anthony Morris III“ bezeichnet. Hinweise auf gleichnamige Vorgänger (I oder II) innerhalb der Organisation gibt es nicht. Ob es sich dabei um eine familiäre oder stilistische Entscheidung handelt, ist öffentlich nicht dokumentiert. Einige Beobachter werten diesen Namenszusatz als Teil einer betont autoritativen Selbstdarstellung. Belegt ist: Der Namenszusatz wurde offiziell in sämtlichen Publikationen und Vorträgen verwendet.

Der „BottleGate“-Vorfall – Anthony Morris III beim Hochprozentigeneinkauf

Am 10. Februar 2019 wurde Anthony Morris III von einem Privatnutzer in einem Spirituosenladen im US-Bundesstaat Kalifornien gefilmt. Das Video zeigt ihn in typischer Dienstkleidung (Anzug mit Einstecktuch), wie er mehrere Flaschen hochpreisiger Whiskeys kauft – darunter unter anderem:

  • The Macallan Highland Single Malt (zwischen 100–150 $ pro Flasche)
  • Weitere Sorten der gehobenen Preisklasse

Der Gesamtwert des Einkaufs lag nach Augenzeugenangaben bei rund 850 bis 1.000 US-Dollar. Morris unterhält sich dabei locker mit einem anderen Kunden über edle Whiskeysorten. Das Video ging unter dem inoffiziellen Titel „BottleGate“ viral und ist nach wie vor über verschiedene Plattformen verfügbar.

Videoquelle: https://www.youtube.com/watch?v=n1-1IeB3xJg

Rechtlicher Hinweis²: Die Aufnahme erfolgte in einem öffentlichen Geschäft, ohne erkennbaren Eingriff in Privatsphäre oder Persönlichkeitsrechte. Die journalistische Kommentierung der Szene fällt unter die zulässige Medienberichterstattung, sofern sie sachlich und nicht diffamierend erfolgt.


Theodore Jaracz (1925–2010)

war von 1975 bis 2010 Mitglied der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas. In der öffentlichen Debatte wurden später schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben: Es heißt, er habe sich während seiner Zeit als Bezirksaufseher in Los Angeles an einem minderjährigen Mädchen vergangen. Diese Behauptungen wurden jedoch nie rechtsförmig aufgearbeitet oder bestätigt, da bislang keine Zeugenaussagen oder gerichtsverbindliche Nachweise existieren.

Im Jahr 2004 berichtete das BBC-Panorama-Special über den Umgang der Zeugen Jehovas mit Fällen von sexuellem Missbrauch in der Gemeinschaft. Im Beitrag wird auch Jaracz namentlich erwähnt – insbesondere wegen seines mutmaßlichen Widerstands gegenüber der Weitergabe von Informationen über verurteilte Pädophile an zuständige Behörden. Auch hier fehlt eine juristische Instanz, doch der Bericht dokumentiert organisationsintern bekannt gewordene Informationen.

Rechtlicher Hinweis³: Die genannten Vorwürfe sind nicht durch eine gerichtliche Verurteilung bestätigt. Ihre Darstellung erfolgt unter Berufung auf öffentlich dokumentierte Medienberichte (BBC) und fällt unter das berechtigte öffentliche Interesse.


Raymond Franz

war von 1971 bis 1980 Mitglied der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas – bis er sein Amt niederlegte, weil er es nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Später wurde er ausgeschlossen, offiziell wegen Kontakts zu einem Ausgeschlossenen. In Wahrheit war sein wachsendes Unbehagen gegenüber der Organisation selbst der eigentliche Grund.

Sein Buch „Der Gewissenskonflikt“ dokumentiert diese Entwicklung nüchtern und reflektiert. Es wurde und wird von der Organisation wie eine gefährliche Waffe behandelt:

Im Umlauf unter ehemaligen Zeugen Jehovas befindet sich ein internes Schreiben der Wachtturm-Gesellschaft vom 25. Oktober 1990, das sich an die Ältestenschaften richtet. Der Inhalt: Eine direkte Warnung vor dem Buch „Der Gewissenskonflikt“ von Raymond Franz – verbunden mit der Aufforderung, herauszufinden, welche Brüder es besitzen, Gespräche mit diesen zu führen und die „Literatur der Abgefallenen zu vernichten“.

Eine offizielle Bestätigung durch die WTG existiert nicht, die inhaltliche und formale Übereinstimmung mit anderen internen Rundschreiben legt jedoch nahe, dass es sich um ein authentisches Dokument handelt.“


Das nachfolgende Faksimile eines internen Schreibens der Wachtturm-Gesellschaft vom 25. Oktober 1990 wird im Rahmen der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte und Praxis der Zeugen Jehovas veröffentlicht. Die Veröffentlichung erfolgt gemäß § 51 UrhG (Zitatrecht) sowie Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungs- und Pressefreiheit) zur Dokumentation eines zeitgeschichtlich relevanten Vorgangs. Die Quelle ist benannt, das Dokument dient der Analyse ideologischer und organisatorischer Kontrolle innerhalb der Gemeinschaft. Es wird kein kommerzieller Zweck verfolgt.

Diese Anweisung ist mehr als nur ein interner Hinweis – sie erinnert in Ton und Inhalt an autoritäre Systeme, in denen Bücher nicht nur kritisiert, sondern systematisch verfolgt und vernichtet werden. Die Organisation selbst spricht zwar nicht von Feuer, aber der Begriff „Literatur vernichten“ lässt Assoziationen aufkommen, die man eher aus dem Index der katholischen Kirche oder aus dunkleren Kapiteln der deutschen Geschichte kennt. Wenn eine religiöse Gemeinschaft Angst vor einem Buch hat, dann nicht, weil es gefährlich ist – sondern weil es etwas ans Licht bringt.

Rechtlicher Hinweis⁴: Die Existenz des Schreibens vom 25.10.1990 ist durch keine offizielle Veröffentlichung der WTG belegt. Die Wiedergabe erfolgt unter Berufung auf dokumentierte Aussagen ehemaliger Mitglieder und fällt unter das Recht auf Meinungsäußerung und zeitgeschichtliche Dokumentation.


Joseph F. Rutherford – Macht, Kontrolle und Widerspruch


Joseph Franklin Rutherford, der zweite Präsident der Wachtturm-Gesellschaft (1917–1942), prägte die Organisation nachhaltig – nicht nur durch Lehren, sondern vor allem durch seine autoritäre Führung, seine rigide Ideologie und sein öffentliches Auftreten.
Der Name „Jehovas Zeugen“
Der Name „Jehovas Zeugen“ wurde 1931 eingeführt, um sich von anderen Bibelforschergruppen abzugrenzen, die sich nicht Rutherford unterordnen wollten (jw.org). Die Bezeichnung sollte die Loyalität zur Organisation und ihren Führern hervorheben – nicht primär zu Christus.


Die Machtergreifung nach Russells Tod
Nach dem Tod von Charles T. Russell im Jahr 1916 trat Rutherford zwar offiziell als Präsident an, doch seine Wahl war hochumstritten. Im Testament Russells war er nicht als Nachfolger vorgesehen. Mehrere Direktoren warfen ihm später vor, sich „nach Diktatorenmanier“ an die Spitze gesetzt zu haben. Das „Referendum“ unter den Verkündigern 1917 wurde von Rutherford selbst organisiert und diente faktisch zur Legitimierung eines bereits vollzogenen Machtwechsels ([Penton, Apocalypse Delayed, S. 53ff]).


Die Prohibition und Rutherfords Alkoholkonsum
Rutherford war ein offener Gegner der Prohibition in den USA und bezeichnete sie öffentlich als ein Werk Satans. In seinen Reden kritisierte er das „Verbot von Alkohol als eine teuflische Verfälschung von Freiheit“ – was aus heutiger Sicht bemerkenswert ist, da zahlreiche Zeitzeugen ihn selbst als regelmäßigen Trinker beschrieben (druglibrary.org).
Die Ironie blieb nicht unbemerkt: Ein Präsident, der moralische Reinheit predigte und gleichzeitig aus dem „Beth Sarim“ genoss, was ihm gefiel – auch hochwertigen Alkohol, wie frühere Bethelmitarbeiter berichteten (jwwatch.org).


Frauenfeindlichkeit & Muttertag
Rutherfords Schriften und Ansprachen offenbaren eine klar frauenfeindliche Grundhaltung. Er äußerte sich mehrfach abschätzig über das Frauenwahlrecht und stellte öffentlich die These auf, dass die Einbindung von Frauen in religiöse oder politische Prozesse zur „Zerstörung heiliger Ordnung“ führe. Direkte Zitate sind selten überliefert, doch die Ablehnung des Muttertags wird dokumentiert – Rutherford nannte diesen eine „weltliche Sentimentalität, die den Willen Gottes überlagert“, und erklärte ihn als „nicht mit echtem Gottesdienst vereinbar“ (jwfacts.com).


Brit Appel – Pflegerin oder mehr?
Rutherford lebte viele Jahre getrennt von seiner Ehefrau Mary. Später zog eine junge Frau namens Brit Appel, eine Südstaatenschönheit, zu ihm nach San Diego. Offiziell wurde sie als „Pflegekraft“ vorgestellt – obwohl bereits ein männlicher Pfleger vorhanden war. Über Appels Ausbildung oder medizinische Qualifikation ist nichts bekannt. Kritiker vermuten eine nicht näher bezeichnete private Beziehung, doch belastbare Dokumente oder Aussagen fehlen. Die Tatsache, dass sie sich zeitgleich von ihrem Ehemann scheiden ließ, gilt als auffällig – bleibt jedoch spekulativ.


Bewertung: Rutherford als widersprüchlicher Machtmensch
Joseph F. Rutherford gilt bis heute als eine der prägendsten – und umstrittensten – Figuren in der Geschichte der Zeugen Jehovas. Er wandelte die Bewegung von einer dezentralen Bibelforscherbewegung in eine zentralistisch gesteuerte Organisation mit klarer Hierarchie. Seine Reden waren autoritär, seine Entscheidungen rigide, sein Umgang mit Kritik erbarmungslos.
Der Kontrast zwischen seinen Aussagen und seinem Lebensstil (Alkohol, Machtanspruch, Frauenbild) ist gut dokumentiert – auch wenn einzelne persönliche Details, wie im Fall Brit Appel, letztlich im Halbschatten der Geschichte bleiben.


Quellen (Auszug)
• James Penton: Apocalypse Delayed (3. Aufl. 2015)
• en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Franklin_Rutherford
• druglibrary.org
• jwfacts.com – Mother’s Day
• jwwatch.org – Rutherford und Alkohol


Charles Taze Russell – Gründer der Bibelforscherbewegung

Charles Taze Russell, der erste Präsident der Wachtturm-Gesellschaft, hatte ein bewegtes persönliches und theologisches Profil. Er lebte ab Ende der 1890er-Jahre getrennt von seiner Frau Maria und ließ sich 1906 scheiden – allerdings nicht wegen Ehebruchs, sondern wegen unüberbrückbarer Differenzen im Umgang miteinander und in der Leitung des Verlages.

Im Rahmen des Scheidungsverfahrens warf Maria Russell ihrem Mann eine zu große Nähe zur damals 25-jährigen Rose Ball vor – einer jungen Frau, die im Haushalt der Russells tätig war. Der Vorwurf lautete auf „unangemessene Vertraulichkeit“, konnte jedoch nicht bewiesen werden. Auch Maria Russell selbst relativierte später ihre Aussagen. Russell wies jede Form der Unmoral entschieden zurück.

Rechtlicher Hinweis: Die Darstellung der Vorwürfe gegen Charles Taze Russell bezieht sich auf öffentliche Gerichtsakten und zeitgeschichtliche Quellen. Die Bewertung erfolgt im Rahmen zulässiger historischer Berichterstattung.

Trotz persönlicher Turbulenzen galt Russell in zeitgenössischen Quellen als respektierter Bibellehrer. Die Bibelforscher unter seiner Leitung waren im Vergleich zu den heutigen Zeugen Jehovas theologisch deutlich liberaler, weniger kontrollierend und betonten die individuelle Bibelauslegung. Dogmen wie das Verbot von Bluttransfusionen, die Zwei-Klassen-Lehre oder die extreme Loyalität gegenüber einer zentralen Führung existierten zu seiner Zeit noch nicht.


Kontrolle in frommer Verpackung
Die Führungsfiguren der Zeugen Jehovas sind keine bloßen Verwalter eines Glaubens, sondern zentrale Figuren in einem hochgradig kontrollierten System. Ihre Aussagen, ihre Symbolik – und ihre Reaktionen auf Kritik – sagen oft mehr über die Organisation als alle offiziellen Publikationen zusammen.


Fußnoten – Rechtlicher Kontext:

  1. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]
  2. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG: Bildnisse dürfen ohne Einwilligung verbreitet werden, wenn sie aus dem Bereich der Zeitgeschichte stammen.
  3. BVerfG, Beschluss v. 25.10.2005, 1 BvR 1696/98: Berichterstattung über nicht-verurteilte Verdachtsmomente ist zulässig, wenn ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht und die Darstellung nicht vorverurteilend wirkt.
  4. BGH, Urteil vom 12.10.1993 – VI ZR 23/93: Zeitgeschichtliche Dokumentation umfasst auch umstrittene oder nicht offiziell bestätigte Dokumente, wenn sie durch öffentliche Rezeption dokumentiert sind.
  5. BGH, Urteil vom 29.11.1983 – VI ZR 51/82: Die historische Berichterstattung über Personen der Zeitgeschichte unterliegt einem erweiterten Schutz durch Art. 5 GG, auch bei moralisch oder privat problematischen Aspekten.