Der Beitrag geht der Frage nach, ob die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas als falscher Prophet einzustufen ist – nach biblischen Kriterien und den eigenen Aussagen der Organisation.
Während die WTG öffentlich bestreitet, ein Prophet zu sein, beansprucht sie dennoch göttliche Leitung, veröffentlicht prophetisch gefärbte Aussagen und fordert bedingungslose Loyalität gegenüber ihrer Auslegung. Mehrfach wurden Endzeitdaten und Erwartungen formuliert (1914, 1925, 1975), die sich nicht erfüllten – und später relativiert oder uminterpretiert wurden.
Der Artikel zeigt: Nach den eigenen Definitionen und den Maßstäben der Bibel erfüllt die Leitende Körperschaft exakt die Merkmale eines falschen Propheten – auch wenn sie sich dieses Etikett selbst verweigert.
Ein falscher Prophet ist nicht der, der sich so nennt – sondern der, der so handelt.
Einleitung
Die Frage, ob die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas als falscher Prophet gelten kann, berührt einen zentralen Nerv der theologischen Selbstinszenierung dieser Organisation. Während sich die Zeugen Jehovas vehement gegen solche Vorwürfe verwahren, zeigt ein genauerer Blick: Die Spannweite zwischen dem Anspruch göttlicher Leitung und der wiederholten Verbreitung falscher Erwartungen lässt sich nicht einfach mit dem Hinweis auf „menschliche Fehler“ wegdiskutieren. In diesem Beitrag geht es darum, die gängigen Kriterien für prophetisches Handeln aus biblischer Sicht klar zu benennen – und diese Maßstäbe an den eigenen Aussagen der Organisation zu spiegeln.
Ziel ist nicht eine polemische Anklage, sondern eine nüchterne, quellenbasierte Analyse dessen, was die Wachtturm-Gesellschaft vorgibt zu sein – und was sie nach biblischer und eigener Definition damit implizit erfüllt.
1. Was ist ein Prophet? – Sprachlich, biblisch, funktional
a) Prophet – eine begriffliche Annäherung
Laut Duden ist ein Prophet „jemand, der die Zukunft voraussagt“ oder „im Namen einer göttlichen Instanz spricht“. In religiösen Kontexten geht es dabei nicht um vage Zukunftsdeutung, sondern um den Anspruch, Gottes Willen zu verkünden. Ein Prophet erhebt also den Anspruch, göttliche Autorität zu repräsentieren – sei es in der Form von Offenbarung, Warnung oder Auslegung.
b) Prophet im Alten Testament
Die hebräische Wurzel „naba’“ (נָבָא) bedeutet: „unter göttlicher Inspiration sprechen“. Propheten wie Jesaja, Jeremia oder Ezechiel verstanden sich nicht als selbstberufene Mahner, sondern als berufene Sprecher im Namen Gottes. Sie kündigten Gericht, Rettung oder Weisung an – mit dem Anspruch, dass Gott selbst spricht.
Zentrale Kriterien für echte Prophetie nach der Bibel:
- Die Botschaft muss im Namen Gottes verkündet werden (5. Mose 18,20)
- Sie muss sich erfüllen (5. Mose 18,22)
- Sie darf nicht gegen frühere Offenbarungen Gottes verstoßen (5. Mose 13,2–6)
c) Falsche Propheten in der Bibel
Die Bibel warnt eindringlich vor Menschen, die vorgeben, für Gott zu sprechen, dabei aber eigene Vorstellungen verkünden.
„Wenn der Prophet im Namen Jehovas redet und das Wort geschieht nicht und trifft nicht ein, das ist das Wort, das Jehova nicht geredet hat.“
(5. Mose 18,22)
„Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen. Sie betrügen euch. Das Gesicht ihres Herzens verkünden sie – nicht aus dem Mund Jehovas.“
(Jeremia 23,16)
Jesus selbst warnt in der Bergpredigt vor falschen Propheten, die „in Schafskleidern kommen“ (Matthäus 7,15) – also harmlos wirken, aber manipulativ handeln.
2. Was sagt die Wachtturm-Gesellschaft über sich selbst?
Die Organisation der Zeugen Jehovas lehnt den Begriff „Prophet“ ausdrücklich ab – doch ihre Selbstbeschreibung und Praxis erfüllen in vielerlei Hinsicht genau die Merkmale, die der Bibel zufolge auf einen Propheten zutreffen:
„Jehovas Zeugen haben nie behauptet, Propheten zu sein. Aber sie veröffentlichen biblische Vorhersagen oder Auslegungen von Prophezeiungen in ihren Publikationen.“
(Der Wachtturm, 1. Februar 1992, Seite 15)
„Heute besteht der treue und verständige Sklave aus gesalbten Christen, die gemeinsam in der leitenden Körperschaft dienen. Sie haben die Verantwortung, die Herde mit geistiger Speise zur rechten Zeit zu versorgen.“
(Der Wachtturm, 15. Juli 2013, Seite 22)
„Jehova verwendet heute einen treuen Sklaven, um sein Volk anzuleiten. Unsere geistige Gesundheit und unser Verhältnis zu Gott hängen davon ab, dass wir diesen Kanal anerkennen.“
(Der Wachtturm, 1. August 2001, Seite 14)
Der Anspruch ist eindeutig: Die Leitende Körperschaft spricht im Namen Gottes, deutet „biblische Zeichen“, gibt konkrete zeitliche Erwartungen weiter – und fordert gleichzeitig absolute Loyalität gegenüber dieser Deutungshoheit.

3. Was sagt die WTG über falsche Propheten?
Bemerkenswert ist, dass die Organisation selbst Kriterien für falsche Propheten formuliert, die exakt auf sie selbst zutreffen würden:
„Falsche Propheten sind Personen oder Organisationen, die Botschaften verkünden, die sie einer übermenschlichen Quelle zuschreiben, die aber nicht von dem wahren Gott stammen.“
(Unterredungen anhand der Schriften, 2001, Seite 146)
„Wenn sich jemand als Sprachrohr Gottes ausgibt und sich seine Vorhersagen als falsch erweisen, dann ist er ein falscher Prophet.“
(Der Wachtturm, 15. Februar 1981, Seite 19)
„Organisationen, die sich als Sprachrohr Gottes ausgeben, aber irrtümliche Prophezeiungen verbreiten, sind falsche Propheten.“
(Der Wachtturm, 1. Februar 1992, Seite 15)
Mit diesen Definitionen hat die Organisation ihr eigenes Urteil gefällt – man muss es nur anwenden.
4. Eine Geschichte gescheiterter Prophezeiungen
Die Geschichte der Zeugen Jehovas ist durchzogen von prophetischen Ankündigungen, die sich nicht erfüllt haben – oft verbunden mit großer Endzeitspannung, gefolgt von Stille, Relativierung oder Schuldumkehr.
a) 1914
„Die Schlacht des großen Tages Jehovas wird 1914 enden.“
(The Time Is at Hand, 1889)
Die Wachtturm-Gesellschaft verschob später den Fokus und erklärte: Nicht Harmagedon, sondern Christi unsichtbare Wiederkunft sei 1914 erfolgt – eine nachträgliche Umdeutung, die theologischen Bestandsschutz sichern sollte.
b) 1925
„1925 wird ohne Zweifel das Ende bringen […] Abraham, Isaak und Jakob […] werden in menschlicher Vollkommenheit auferstehen.“
(Millionen jetzt lebender Menschen werden nie sterben, 1920)
c) 1975
„1975 markiert 6000 Jahre Menschheitsgeschichte – es könnte der Beginn des großen Sabbats sein.“
(Königreichsdienst, 1968)
Später hieß es beschwichtigend:
„Es wurde nie gesagt, dass 1975 das Ende bringen würde.“
(Der Wachtturm, 15. März 1980)
Dabei hatte man in Dutzenden Artikeln, Kongressen und Vorträgen systematisch Endzeiterwartung geschürt – oft unter dem Deckmantel „wir sagen es nicht direkt, aber…“
d) Die „überlappende Generation“
Bis in die 1990er wurde verkündet, die Generation von 1914 werde Harmagedon noch erleben. Als sich das biologisch nicht mehr halten ließ, wurde die Lehre „angepasst“: Jetzt sollen sich zwei Gruppen „überschneiden“ – eine dogmatische Ausflucht ohne biblische Grundlage.
5. Strategien der Entlastung – und ihre Problematik
- Verantwortungsverschiebung: „Die Brüder waren vielleicht zu eifrig…“ (Der Wachtturm, 15. März 1980)
- Kein Anspruch auf Inspiration: Doch warum der Anspruch auf göttliche Leitung?
- Loyalität statt Wahrheit: „Wahre Christen wenden sich nicht ab, auch wenn Fehler gemacht wurden.“ (Der Wachtturm, 15. Dezember 1984)
Diese Argumentationen dienen letztlich einem Zweck: Loyalität über Wahrheit zu stellen – ein typisches Kennzeichen hochgradig autoritärer religiöser Gruppen.
Fazit: Prophetische Macht – ohne Rechenschaft?
Wer wiederholt falsche Erwartungen schürt, sich als göttlich geleitet bezeichnet und für sich prophetische Deutungshoheit beansprucht, erfüllt nach biblischem Maßstab das, was ein falscher Prophet tut.
Die Leitende Körperschaft agiert wie ein Prophet, spricht wie ein Prophet, fordert Gehorsam wie ein Prophet – doch lehnt es ab, sich so zu nennen. Warum? Weil sie dann nach ihren eigenen Maßstäben als falsche Propheten dastehen würden. Aber nur weil man eine Kuh „Pferd“ nennt, wird es nicht zum Reittier und wer sich selbst das Etikett abreißt, ändert nichts an seinem Verhalten.
Ein falscher Prophet ist nicht der, der sich so nennt, sondern der, der so handelt.
Rechtlicher Hinweis: Alle Zitate aus Veröffentlichungen der Zeugen Jehovas dienen der Dokumentation und kritischen Einordnung im Sinne von § 51 UrhG. Die Analyse erfolgt auf Grundlage der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG und richtet sich gegen institutionelle Strukturen, nicht gegen Einzelpersonen.


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