Einleitung: Der Preis des Gewissens
„Wider das Gewissen zu handeln ist beschwerlich, nicht ratsam und gefährlich.“ – Martin Luther, zitiert von Raymond Franz
Raymond Franz, einst Mitglied der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas, war jahrelang in der obersten Führungsebene der Organisation tätig. In seinem Buch „Der Gewissenskonflikt“ gewährt er einen einzigartigen, schonungslosen Einblick in die innersten Mechanismen der Wachtturm-Gesellschaft – und deckt dabei strukturelle Defizite, dogmatische Widersprüche und tiefgreifende ethische Probleme auf. Diese Artikelserie präsentiert eine umfassende Auswertung seiner Aussagen – fundiert, quellengenau und ungeschönt.
Teil 1: Das Gewissen als Prüfstein – Zwischen Bibel und Befehl
Bereits im ersten Kapitel macht Franz deutlich, dass das persönliche Gewissen vor jeder institutionellen Loyalität steht. Er beschreibt, wie christliche Nachfolge zur Gewissensentscheidung wird – insbesondere dann, wenn religiöse Autoritäten den Anspruch erheben, zwischen Gott und Mensch zu vermitteln.
„Nicht jeder lässt sich durch Gewissensfragen beunruhigen. […] Wenn es aber dem Ende zugeht, dürfte doch der, der von sich sagen kann, dass er in seinem Leben für etwas eingestanden ist, die größere Befriedigung empfinden.“
Franz beschreibt, wie Organisationstreue mit Gottesgehorsam verwechselt wird – eine zentrale These seines Buches.
Teil 2: Das Machtzentrum Brooklyn – Kontrolle statt geistiger Freiheit
In den Bethel-Etagen der Weltzentrale herrscht laut Franz kein geistiges Ideal, sondern ein Klima aus Angst, Konformitätsdruck und interner Beobachtung.
„Entscheidungen wurden oft nicht aus Überzeugung getroffen, sondern aus Sorge, nicht als loyal zu gelten.“
Die Sitzungen der Leitenden Körperschaft werden nicht durch tiefe Bibelstudien geprägt, sondern durch pragmatische Machtspiele. Widerspruch wird nicht theologisch geprüft, sondern disziplinarisch geahndet. Franz berichtet von absurden internen Anweisungen, wie etwa der Empfehlung, aus Rücksicht auf Einheit bekannte Irrtümer nicht zu hinterfragen.
Besonders brisant: Der Leser erfährt, dass einige Mitglieder der LK gravierende Zweifel an Lehren hegten – diese aber unterdrückten, um ihre Position nicht zu gefährden.
Teil 3: Die chronologische Falle – Warum 607 v. u. Z. nicht haltbar ist
Ein zentrales Kapitel des Buches widmet sich der Berechnung von 1914 – dem Jahr, das laut WTG den Beginn von Jesu „unsichtbarer Gegenwart“ markiert. Diese Berechnung hängt davon ab, dass Jerusalem im Jahr 607 v. u. Z. zerstört wurde. Doch Franz, unterstützt durch interne Recherchen und externe Fachliteratur, zeigt: Diese Zahl ist unhaltbar.
„Sämtliche archäologische, astronomische und biblische Quellen sprechen eindeutig für 587/586 v. u. Z.“
Trotzdem wurde jeder Versuch, die Datierung zu korrigieren, im Keim erstickt. Interne Studien wurden unterdrückt. Selbst wenn wissenschaftlich klar war, dass die Chronologie fehlerhaft ist, hielt man sie aufrecht – um das theologische Gerüst der WTG nicht ins Wanken zu bringen.
„Fällt 607, fällt 1914 – und mit ihm die Sonderstellung der Organisation.“
Teil 4: Die Doktrin des Gehorsams – Einheit durch Schweigen
Franz zeigt, dass die sogenannte „Einheit“ der Organisation nicht auf Überzeugung, sondern auf Angst basiert. Wer Fragen stellt, wird schnell zum Problemfall.
„Viele wussten es besser, doch sie schwiegen – aus Angst vor Ächtung.“
Auch innerhalb der Weltzentrale herrscht ein unausgesprochener Konsens: Wer Loyalität zur Wahrheit über Loyalität zur Organisation stellt, riskiert Ausschluss. Diese Dynamik wird im Buch mit zahlreichen Beispielen belegt, etwa bei der Behandlung alternativer medizinischer Gewissensentscheidungen oder bei dogmatischen Grauzonen.
Teil 5: Rechtskomitees – Gericht ohne Gnade
Ein eigenes Kapitel widmet Franz dem Thema Rechtskomitees – den internen Disziplinargerichten der Zeugen Jehovas. Er beschreibt seinen eigenen Ausschluss als ein Verfahren ohne Anklageschrift, ohne Protokoll, ohne Berufung und ohne rechtlichen Beistand.
„Ich wurde nicht ausgeschlossen, weil ich sündigte, sondern weil ich dachte.“
Er legt offen, wie willkürlich diese Gremien agieren, wie schnell Verdacht zur Verurteilung wird, und wie das angebliche Ziel der Reue zur bloßen Unterwerfung unter die Organisation verkommt.
Teil 6: Der Preis – Verlust, Ächtung und Isolation
Der Preis für das Festhalten am eigenen Gewissen ist hoch. Franz verliert nicht nur seine Stellung, sondern auch den Kontakt zu seinem gesamten sozialen Umfeld – inklusive enger Familienangehöriger.
„Was mir blieb, war Christus. Was ich verlor, war eine Organisation.“
Besonders deutlich wird: Die WTG toleriert keinen innerorganisatorischen Dissens – selbst wenn dieser biblisch motiviert ist. Die vollständige soziale Ächtung wird dabei nicht als bedauerlicher Kollateralschaden, sondern als gezieltes Druckmittel eingesetzt.
Teil 7: Christus allein – jenseits der Organisation
Im letzten Kapitel legt Franz eine Art Glaubensbekenntnis ab. Er kehrt nicht dem Glauben den Rücken, sondern nur einer Organisation, die sich zwischen ihn und Gott gestellt hat.
„Nicht die Organisation, sondern Jesus Christus ist unser Mittler, Lehrer und Haupt.“
Sein Appell gilt all jenen, die glauben, dass christliche Nachfolge persönlicher Verantwortung, geistiger Freiheit und ehrlicher Wahrheitssuche bedarf – und keiner Institution, die Gehorsam mit Wahrheit verwechselt.
Diese Artikelserie basiert auf Originalzitaten aus dem Buch „Der Gewissenskonflikt“ von Raymond Franz. Die Nutzung erfolgt im Rahmen des Zitatrechts (§ 51 UrhG) zur kritischen Auseinandersetzung mit der Wachtturm-Gesellschaft. Die dargestellten Aussagen entlarven nicht nur strukturelle Defizite, sondern offenbaren auch eine tiefe Kluft zwischen der Botschaft Jesu und dem Handeln der Organisation, die vorgibt, in seinem Namen zu sprechen.
Schreibe einen Kommentar